von Yoram Kaniuk
Israel hat Gasa geräumt, hat den Libanon geräumt und wurde sofort danach von dort aus angegriffen. Plötzlich wird über jeden Zweifel hinaus deutlich, daß hier der Kampf nicht gegen die Eroberung der Gebiete gerichtet ist, sondern gegen das, was die Araber schon seit achtzig Jahren das zionistische Gebilde nennen.
Der Krieg im Libanon ist Teil eines größeren Krieges, der Iran und Syrien einschließt, und kann mit unserem Unabhängigkeitskrieg von 1948 verglichen werden, weil es heute wie damals um die jüdische Existenz im Lande Israel geht. Im Gegensatz zu den Kriegen des 20. Jahrhunderts, die noch durchweg zwischen Armeen ausgefochten wurden, ist dies der erste regelrechte Krieg zwischen fanatischen Selbstmördermilizen und einem progressiven, industrialisierten Staat. Es ist auch der erste Krieg, in dem mit Raketen auf eine Zivilbevölkerung geschossen wird. Und deshalb hatten wir keine andere Wahl als anzugreifen.
Wir sind es leid, der einzige Staat in der Welt zu sein, dem man lauthals androht, ihn mitsamt seiner Bevölkerung zu vernichten. Hisbollah ist ein Arm des Iran und führt diesen Krieg als sein Handlanger im Kampf gegen den Westen. Die Miliz hat ein paar Jahre lang kräftig aufgerüstet und eine günstige Gelegenheit abgewartet, um Israel zu provozieren und zu testen, was die radikale islamistische Front bei der Fortsetzung des Kampfes in Europa und den Vereinigten Staaten erwartet.
Die extreme Linke in Israel und Europa ist überzeugt, daß die Iraner nicht meinen, was sie sagen. Die Väter der deutschen Linken hätten Hitler stoppen können, wenn sie gewollt hätten, doch sie wollten es nicht oder jedenfalls nicht genug. Jetzt sitzt so eine Art kleiner Hitler in Teheran, und die sympathischen, guten Menschen in unserer und eurer extremen Linken denken wie damals, daß dieser Hitler allenfalls ein Clown ist. Doch der radikale Islam hat in Madrid und London zugeschlagen und das New Yorker World-Trade-Center zerstört und festgestellt, daß die Strafe erträglich ist. Und da er keine hochentwickelten Technologien wie Europa und Amerika hat, beschloß er, dem Beispiel des Hirtenjungen David zu folgen, der Goliath, den Philister, mit einer Schleuder tötete.
Der radikale Islam hat viele Jahre lang eine Armee fanatischer und motivierter Selbstmordattentäter voll Haß auf den Westen und vor allem die Juden ausgebildet, und deshalb konnten sieben Männer, die in Amerika auf Sportflugzeugen fliegen lernten, Boeing-Maschinen kidnappen, die zu den Spitzenprodukten der westlichen Technologie gehören, und die Zwillingstürme zum Einsturz bringen.
Diese Kampfmethoden wenden die radikalen Schiiten seit dem 10. Jahrhundert an. Dieselben Parolen. Derselbe Jihad. Der Neid der Islamisten auf die Technologien, die der Westen besitzt und die sie nicht entwickelt haben, erzeugte eine Frustration, die den modernen Terror hervorbrachte. Der jetzige Krieg, den die Amerikaner und letztlich auch ein beträcht-
licher Teil der arabischen Länder gewollt haben, wird noch viele Jahre dauern. Die iranische Atombombe tickt für alle. Wir stehen in der Frontlinie des Kampfes gegen die jüdischen Schweine und die christlichen Affen. Oder umgekehrt. Die Muslime unserer Tage haben gelernt, daß 77 Jungfrauen sie im Paradies erwarten, wenn sie Anschläge auf Unschuldige verüben. Sie haben gelernt, reiche und starke Völker in die Knie zu zwingen, die an globalen Fronten siegen können, doch im Guerillakrieg unterliegen und sich nicht auf die Art der Kriegsführung verstehen, von der es in den Sprüchen Salomos heißt: »Denn durch Überlegung gewinnst du den Kampf.«
Keine Stadt wäre bereit, Raketen aus dem Nachbarland auf sich abfeuern zu lassen. Die Kopten in Ägypten werden schon seit Hunderten Jahren vernichtet, nicht weil sie Christen sind, sondern weil sie genau wie wir ein nationales Gemeinwesen sind. Der Islam duldet kein nationales Kollektiv in seinem Herrschaftsbereich. Vielleicht eine überschaubare religiöse Minderheit, doch keine nationale Minderheit. Heute leben Dutzende Millionen Muslime in Europa, das teilweise den Kampf unterstützt, den der radikale Islam gegen die israelischen Schurken führt. Noch lachen die israelischen und europäischen Linken über die Drohungen der Iraner und Islamisten gegen Israel. Doch die Linke hat auch gelacht, als Hitler an die Macht kam.
Den Juden in der Bundesrepublik sei gesagt: Der radikale Islam unterscheidet nicht zwischen euch und den israelischen Juden, selbst wenn ihr loyale Deutsche und der langen Tradition eures Landes treu seid. Was heute im Libanon geschieht, ist auch gegen euch gerichtet, und es nützt euch gar nichts, daß ihr aufrechte Europäer seid. Das ist euch schon einmal passiert. Und es wird euch wieder passieren, wenn ihr nicht aufpasst. Der radikale Islam betrachtet den Krieg im Libanon als Generalprobe für die nächste Phase des Jihad. Deshalb begann der neue Weltkrieg gegen den Westen mit einem Überfall an der israelisch-libanesischen Grenze und einem Raketenhagel auf israelische Städte.
Der Autor, geboren 1930 in Tel Aviv, ist einer der bekanntesten Schriftsteller Israels