von Marcella Pannaccio
Der jüdischen Gemeinde in Istanbul ist es zum ersten Mal gelungen, sich in breitem Umfang Gehör zu verschaffen gegen die Behauptung, türkische Staatsbürger jüdischen Glaubens seien an der Erschaffung eines Groß-Israel vom Euphrat bis zum Nil beteiligt. In der vergangenen Woche lud der Sender CNN-Türk den Vorsitzenden der Gemeinde Silvio Ovadya zur besten Sendezeit als Gesprächsgast zum Thema ins Studio. Zuvor hatte CNN-Türk in einem Beitrag über Landkäufe von Ausländern in der Türkei, zum großen Entsetzen der jüdischen Gemeinde, auch die umstrittene These aufgegriffen.
In der Reportage seien unter anderem die Witwe des früheren Ministerpräsidenten Ecevit und der für seine Meinung einschlägig bekannte Autor Hasan Taskin zu Wort gekommen. Während Rahsan Ecevit behauptete Israel stecke hinter den Landkäufen, wies der Autor Taskin auf die Möglichkeit hin, dass jüdische Türken die Ländereien im Südosten im Auftrag des israelischen Staates erwerben. »Seine Behauptungen stützt Taskin auf vermeintliche Aussagen von Geheimdiensten, für uns dagegen sind aus der Luft gegriffen und durch nichts belegt«, sagt Denise Saporta, Pressesprecherin der jüdischen Gemeinde in Istanbul. »Doch sie haben das Potenzial, das Verhältnis zwischen der jüdischen und muslimischen Bevölkerung in der Türkei nachhaltig zu belasten.«
Diese Gefahr bestehe immer und werde auch dadurch nicht entschärft, dass die Reportage im Grunde genommen ausgewogen gewesen sei. Im Beitrag, erläutert sie weiter, habe bereits der Chef der Katasterbehörde, Zeki Adli, betont, dass es für solche Landkäufe im großen Stil keine Nachweise gebe. Im Klartext: keine Namen, die auf eine jüdische Herkunft hinweisen und keine Neueinträge in den Grundbüchern. »Doch das«, sagt die Pressesprecherin, »hören diejenigen schon gar nicht mehr, denen Israel ohnehin ein Dorn im Auge ist.« Hier zähle dann nur noch die Behauptung, dass nicht-muslimische türkische Bürger sich vom Staat Israel zu verdeckten Aktionen benutzen lassen. Und dann weist Denise Saporta darauf hin, dass niemand vergessen dürfe, dass auch die türkische Bevölkerung jüdischen Glaubens das verbriefte Recht habe, in ihrer Heimat Grund und Boden zu erwerben. So hatte die jüdische Gemeinde einmal mehr in einer Presseerklärung um eine Stellungnahme zu den Behauptungen gebeten und darum, die Namen der Käufer preiszugeben. Eine befriedigende Antwort gab es auch diesmal nicht. »Woher soll man die auch nehmen, wenn man in Wirklichkeit keine hat«, fragt sich die Pressesprecherin. Dennoch, die Geschichte hält sich und ist auch keine neue. Immer wieder taucht sie in den bekannten nationalen Blättern auf. Bloß den Weg ins Fernsehen, den hatte sie bislang noch nicht geschafft.
Dass CNN-Türk sich nun als Antwort auf den Protest der jüdischen Gemeinde, bereit erklärt hat, das Thema in Form eines Studiogesprächs erneut aufzugreifen, findet im Oberrabbinat hohe Anerkennung. So etwas habe es bislang noch nicht gegeben. Der Sender habe darüber hinaus eingeräumt, dass man trotz aller Bemühungen um Ausgewogenheit vielleicht nicht mit der nötigen Sensibilität für mögliche Konsequenzen an den Beitrag herangegangen sei, betont Denise Saporta.
Es ist bekanntlich immer der Funke, der das Feuer entfacht. Dennoch lässt sich die Pressesprecherin nicht zu Klagen über das Verhältnis zwischen Muslimen und Juden in der Türkei verleiten. Natürlich sei der derzeitige Rechtsruck nicht zu leugnen, räumt sie ein, aber eine Verschlechterung des Umgangs im Alltag habe er bislang nicht zur Folge. Der stärker werdende Nationalismus im Land, da sind sich viele Istanbuler Juden einig, zielt nicht auf die Randgruppen, sondern trifft die gesamte Bevölkerung.