Koscherunternehmen

Zum Fairzehr geeignet

von Sue Fishkoff

Sie wollen ihren konservativen Kollegen nicht nachstehen. Seit einigen Wochen überprüfen orthodoxe Gruppen in den USA die ethischen Standards von Unternehmen, deren Dienste von jüdischen Gemeinden in Anspruch genommen werden.
Die im vergangenen Jahr von rabbinischen Studenten der orthodoxen Jeshiwa Chovevei Torah gegründete New Yorker Gruppe Uri L’Tzedek ist startbereit für die Einführung ihres Ethiksiegels Tav HaYosher. Es wird an koschere Restaurants in New York City vergeben, die ihre Mitarbeiter fair behandeln. »Yosher« ist Hebräisch und bedeutet Ehrlichkeit.
Auch an der Westküste tut sich einiges. In Los Angeles legen drei orthodoxe Rabbiner gerade letzte Hand an die Initiative »Pe’ulat Sachir«. Der hebräische Name stammt aus einem Vers im dritten Buch der Tora, in dem gefordert wird, dass Arbeiter am gleichen Tag bezahlt werden müssen, an dem sie mit ihrer Arbeit fertig sind.
Genau wie Tav HaYosher vergibt das Programm in Los Angeles ein Siegel, das zertifiziert, dass ein Unternehmen seine Angestellten fair und human behandelt. Im Gegensatz zum New Yorker Projekt wird die Organisation an der Westküste ihr Siegel nicht nur an koschere Restaurants vergeben, sondern auch an lokale Unternehmen, die der jüdischen Gemeinde ihre Dienstleistungen anbieten, darunter Buchhandlungen, Rechtsanwaltsbüros und Arztpraxen.
Beide Initiativen entstanden als Antwort auf die überhandnehmenden Skandale bei Agriprocessors, einem der größten Produzenten für koscheres Fleisch in den USA. Eine Lawine von finanziellen Schwierigkeiten, aber auch Verstöße gegen das Arbeitsrecht führten dazu, dass der Betrieb praktisch nicht mehr arbeitet. Mitbegründer der Initiativen erklärten, dass sie sich als orthodoxe Juden gezwungen sahen, auf eine Situation zu reagieren, die die Werte ihrer Gemeinschaft in ein schlechtes Licht rückte.
Vorbild für die Neugründungen in New York und Los Angeles ist Tav Chevrati, ein soziales Siegel, das vor vier Jahren von der gemeinnützigen israelischen Organisation Bema’aglei Tzedek (deutsch: »Kreise der Gerechtigkeit«) ins Leben gerufen wurde. Es wird an Restaurants vergeben, die die Rechte ihrer Mitarbeiter beachten und zudem behindertengerecht sind. Mehr als 300 Restaurants in Israel, darunter 130 in Jerusalem, stellen dieses Siegel in ihren Fenstern aus.
Die Skandale bei Agriprocessors sorgten diesen Sommer und Herbst für erregte Diskussionen über die Ethik koscherer Lebensmittelproduktion unter amerikanischen Juden. Bei einem Symposium am 9. Dezember an der New Yorker Yeshiva University debattierten die Führer der drei wichtigsten orthodoxen Gruppierungen zum ersten Mal über die Rolle der Ethik bei der Koscher-Zertifizierung.
In der orthodoxen Gesellschaft als Ganzes vertreten einige die Auffassung, soziale Gerechtigkeit und Kaschrut seien zwar beide wichtig, hätten aber nichts miteinander zu tun. Andere sind überzeugt, die beiden Fragen seien untrennbar miteinander verbunden: Koschere Lebensmittel, die auf unethische Weise produziert wurden, seien demnach für den Verzehr ungeeignet.
Die Antwort der konservativen Richtung auf dieses Problem ist Hekhsher Tzedek, ein Siegel, das auf dem Prinzip beruht, dass Kaschrut und Fairness nicht getrennt werden dürfen. Das Zertifikat, das auch von der Reformbewegung mitgetragen wird, soll an koschere Lebensmittelhersteller vergeben werden, die ein breites Spektrum an ethischen Standards, von der Behandlung der Arbeiter über Umweltschutz, Gesundheit und Sicherheit bis hin zu Transparenz in Finanzdingen, erfüllen. Die Einzelheiten des Siegels werden noch erarbeitet. Im Laufe des Jahres soll es eingeführt werden.
In der orthodoxen Gemeinde wurde Hekhsher Tzedek vielfach als bestenfalls umständlich und schlimmstenfalls als Angriff auf das von den Orthodoxen kontrollierte System der Koscher-Zertifizierung kritisiert – zu Unrecht, wie seine Organisatoren beteuern; die Gründer der zwei neuen Siegel sind der Überzeugung, dass sie als orthodoxe Juden eine besondere Verantwortung für die Aktivitäten jener Unternehmen tragen, die ihre Dienste der orthodoxen Gemeinschaft anbieten. Wenn Juden die Tora ernst nehmen sollen, so die Mitbegründer der Initiativen, müssen sie sicherstellen, dass solche Unternehmen jüdische ethische Werte auch tatsächlich erfüllen.
Für Uri L’Tzedek bezieht sich das auf die koschere Lebensmittelbranche. Über ein Jahr lang hat die Gruppe Seminare zu den Themen ethische Gebote von Kaschrut und koschere Lebensmittelerzeugung abgehalten, so Shmuly Yanklowitz, Chovevei-Torah-Student und stellvertretender Leiter von Uri L’Tzedek. Die Razzia am 12. Mai 2008 in der Agriprocessors-Fabrik in Postville, Iowa, wegen der Beschäftigung von illegalen Einwanderern, war der Anlass, konkrete Schritte zu unternehmen.
»Wir haben zum Komplex Kaschrut ein Extra-Gebot, was die Ethik betrifft«, sagt Yanklowitz. »Es ist unser eigenes System, von dem wir glauben, es habe eine gewisse Unantastbarkeit. Daher tragen wir die Verantwortung dafür.«
Das Siegel von Tav HaYosher wird an koschere Restaurants in New York City vergeben, die für ihre Arbeiter drei Grundrechte gewährleisten: faire Bezahlung, regelmäßige arbeitsfreie Zeiten und eine sichere und gesunde Arbeitsumgebung. Restaurants, die sich dem System anschließen, werden durch ein Team freiwilliger Helfer geprüft. Danach können sie das Zertifikat aushängen.
Anfang Dezember hat Uri T’zedek seine ersten freiwilligen Helfer ausgebildet und in aller Stille in Manhattan eine Handvoll Restaurants ausfindig gemacht, die sich für das Projekt interessieren. Die Gruppe erwartet, dass sie noch Ende Januar ihre ersten Siegel vergeben wird.

Düsseldorf

Igor Levit: Bin noch nicht fertig mit diesem Land

Am Klavier ist er ein Ausnahmekönner, in politischen Debatten meldet er sich immer wieder zu Wort. 2020 erhielt der jüdische Künstler das Bundesverdienstkreuz - das er nun nach eigenen Worten fast zurückgegeben hätte

 03.02.2025

Berlin

Kreise: Union will Gesetz doch zur Abstimmung stellen

Hinter verschlossenen Türen wurde in den Unionsparteien viel über das »Zustrombegrenzungsgesetz« gesprochen. Nun gibt es laut Teilnehmern eine Entscheidung

 31.01.2025

Kommentar

Der stumme Schrei der Arbel Yehoud

Die Israelin wurde am Donnerstag von den Hamas-Terroristen endlich freigelassen. Die junge Frau muss unvorstellbare Qualen ausgestanden haben

von Nicole Dreyfus  31.01.2025

Kultur

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 30. Januar bis zum 5. Februar

 30.01.2025

Österreich

»Gegen Antisemitismus und Antizionismus aufstehen«

Der Bundeskanzler, dessen ÖVP Koalitionsgespräche mit der rechtsextremen FPÖ führt, sagt, weder Hass noch Ausgrenzung dürfe Platz geboten werden

 27.01.2025

Irland

Eklat mit Ansage beim Holocaust-Gedenken

Nach seinem Exkurs zum Gaza-Krieg bei der Gedenkfeier in Dublin hagelt es scharfe Kritik am irischen Staatspräsidenten

von Michael Thaidigsmann  27.01.2025

Berlin

Scholz zu Auschwitz-Gedenken: Müssen Erinnerung hochhalten

Am 80. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen deutschen Vernichtungslagers wird der Opfer des NS-Terrors gedacht. Viele Zeitzeugen sind mittlerweile gestorben

 27.01.2025

Gedenken

Mehr Menschen sollen sich Auschwitz anschauen

Wer einmal dort war, stelle sich die Frage, warum die Erinnerung wachgehalten werden muss, nicht, so Zentralratspräsident Schuster

 26.01.2025

Geisel-Abkommen

Scholz: Es müssen weitere Geiseln freikommen

Noch immer sind auch deutsche Staatsbürger in der Gewalt der Hamas

 25.01.2025