Extremismus

Zentralrat der Juden warnt vor Zunahme von Verschwörungstheorien

Wortführer der Anti-Corona-Proteste: TV-Koch Attila Hildmann vor dem Reichstag Foto: imago

Wegen einer Reihe von Demonstrationen gegen die Corona-Regeln wächst die Sorge, dass Antisemiten, Rechtspopulisten und Verschwörungstheoretiker die derzeitige Krise für ihre Zwecke nutzen. Nun hat der Zentralrat der Juden in Deutschland vor einer Zunahme von judenfeindlichen Verschwörungstheorien in der Corona-Krise gewarnt.

»Die Maßnahmen rund um Corona werden von Verschwörungstheoretikern und Rechtspopulisten zunehmend für antisemitische Hetze und Schoa-Relativierung missbraucht«, erklärte der Zentralrat am Sonntag. »Auch hier - und gerade 75 Jahre nach Kriegsende - muss das ›Nie wieder‹ ernst genommen werden!«

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In den vergangenen Wochen war unter anderem in Berlin mehrfach gegen die Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie demonstriert worden. Zu diesen Protesten kamen regelmäßig auch Rechtspopulisten und Anhänger von Verschwörungstheorien. So auch am Samstag vor dem Berliner Reichstag. Bei dieser Kundgebung nahm auch der TV-Koch Attila Hildmann teil, der seit einiger Zeit mit wilden Verschwörungstheorien auf sich aufmerksam macht.

JUDENHASS Mehrere Innenpolitiker warnten ebenfalls vor einer Zunahme von Verschwörungstheorien in der Corona-Krise. »Die Vorstellung, dass die Pandemie bewusst herbeigeführt wurde, um das Volk zu kontrollieren, und dahinter Bill Gates oder andere vermeintlich finstere Mächte stecken, reicht bis weit in die Mitte der Gesellschaft«, sagte der Thüringer Innenminister Georg Maier (SPD) dem »Spiegel« (Samstag): »Hier kippt der Protest schnell ins Antisemitische.«

Auch einige der Demonstrationen auf den Straßen bereiten dem derzeitigen Vorsitzenden der Innenministerkonferenz (IMK) Sorgen. »Wenn Menschen Kritik üben, ist das selbstverständlich in Ordnung«, so Maier: »Was uns alarmiert, ist der Versuch von Extremisten, die Proteste zu kapern.« Er will das Thema daher auf die Tagesordnung der nächsten IMK setzen.

»Das Gefährliche daran ist, dass diese Leute mit ihren kruden Thesen auch Menschen erreichen, die eigentlich fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen«, sagte der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) dem Magazin: »Die lassen sich dann für die Verbreitung von Verschwörungstheorien instrumentalisieren.«

FAKTEN Markus Kerber, Staatssekretär im Bundesinnenministerium, beobachtet zudem einen »weltweiten Informationskampf« in der Coronakrise. Das Ministerium hat nach Kerbers Angaben zu Beginn der Pandemie erst einen Anstieg von Desinformation und Propaganda aus dem Ausland festgestellt. Mittlerweile verbreiteten sich Verschwörungstheorien auch im Inland: »Hier müssen wir dagegenhalten, mit Fakten, Transparenz und einer Verteidigung der Wissenschaft.«

CDU-Innenexperte Armin Schuster rief zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit Corona-Protestgruppen wie »Nicht ohne uns« oder »Widerstand 2020« auf. »Diese Gruppen als Spinner abzutun, greift mir zu kurz«, sagte er der »Rheinischen Post«.

Schuster, der auch Vorsitzender des Parlamentarischen Gremiums zur Kontrolle der Nachrichtendienste ist, forderte von den Sicherheitsbehörden Aufklärung darüber, inwieweit rechte und linke Gruppierungen die Bewegungen unterwandern und für ihre verfassungsfeindlichen Ziele instrumentalisieren.

FACEBOOK Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic kündigte eine Anfrage zu dem Thema an die Bundesregierung in der kommenden Woche an. Es scheine sich bei diesen Protesten »ein bedenkliches Gemisch aus Verschwörungstheorien und gezielter Desinformation zu bilden mit hoher Anschlussfähigkeit nach rechts«.

Auch UN-Generalsekretär António Guterres mahnte zu einem verstärkten Kampf gegen Falschnachrichten und Hass. Er rief dazu auf, Hassreden gegen Juden zu bekämpfen. »Wir müssen jetzt handeln, um die Immunität unserer Gesellschaften gegen das Virus des Hasses zu stärken«, mahnte der Generalsekretär der Vereinten Nationen. Politische Anführer müssten sich solidarisch mit angegriffenen Gruppen zeigen, soziale Netzwerke wie Facebook sollten unangemessene Inhalte löschen, auch Bildungseinrichtungen und die Zivilgesellschaft müssten sich des Problems annehmen. dpa/kna/ja

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