Der junge Mann hat keine Zeit und eilt in das lilafarbene Büro des Berliner Gemeinderabbiner Yitshak Ehrenberg. In der Hand hält er ein Schreiben vom Kreiswehrersatzamt mit der Aufforderung, sich für den Wehrdienst mustern zu lassen. Doch Rabbiner Ehrenberg hat einen vollen Terminkalender und muss ihn auf den nächsten Tag vertrösten. »Es ist immer wieder ein Problem für jüdische Männer, wenn sie in Deutschland zum Bund eingezogen werden sollen«, sagt Ehrenberg. Wenn er einer Familie angehört, die von den Nazis verfolgt worden ist, kann er von der Bundeswehr befreit werden. Ebenso gibt es Ausnahmeregelungen, wenn der Rabbiner seine besonders fromme Lebensweise bescheinigt.
»Ich bin von sieben bis 24 Uhr als Diener für die Gemeinde ansprechbar«, sagt der orthodoxe Rabbiner. Erst nach Mitternacht schalte er das Telefon aus. Ehrenberg ist in einer frommen Familie aufgewachsen. Mütterlicherseits lebt bereits die siebte Generation in Israel. Sein Großvater indes stammt aus Polen. Schon als Vierjähriger lernte Ehrenberg emsig. »Meine Welt war immer die Jeschiwa.« Er habe nur die Orthodoxie gekannt und erst viel später sei ihm bewusst geworden, dass es auch andere Strömungen im Judentum gebe. Mit 15 Jahren besuchte er fast täglich die Jeschiwa – es war die seines späteren Schwiegervaters. Dort sah er auch häufiger dessen Tochter, Nechama. Doch es vergingen sechs Jahre, bis sie das erste Mal miteinander sprachen. »Meiner Frau war ich als Vorbeter aufgefallen«, sagt Ehrenberg. Nach seiner Heirat zog das Paar nach Aschkelon, wo Ehrenberg weitere fünf Jahre lang studierte. Anschließend führte er zusammen mit seinem Schwiegervater die Jeschiwa, bis er eine Anfrage aus Wien bekam. Und so zog Yitshak Ehrenberg mit Nechama und ihren damals vier Kindern nach Wien. »Es war eine wunderschöne Zeit«, sagt der 58-Jährige. In Israel gebe es viele Rabbiner und deshalb sei diese Berufung nichts Außergewöhnliches. Aber in Wien sei ein Rabbi etwas Besonderes. »Ich hatte die Chance, der Gemeinde viel zu geben.« Nach vier Jahren ging die nun siebenköpfige Familie für ein Jahr nach Israel zurück. Aber dort fand er keine wirkliche Herausforderung. Deshalb zog es ihn noch einmal nach Österreich. »Gehen und zeigen, dass das jüdische Volk lebt, ist die beste Rache an Hitler«, habe ihm sein Schwiegervater zugeraten. Wieder ein Jahr später fragte ihn die Münchener Kultusgemeinde, ob er Gemeinderabbiner werden könnte und wollte. Sieben Jahre blieb er dort. Dann kam die Anfrage aus Berlin und hier möchte Ehrenberg bleiben, bis er pensioniert wird. Man lebe hier sehr liberal, aber er sei optimistisch, dass die Orthodoxie weiter wachsen werde. Speziell Kindern und den russischsprachigen Zuwanderern möchte er eine jüdische Identität mitgeben. »Da sehe ich viel Potenzial«, sagt der Vorsitzende der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschlands. Christine Schmitt
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