Ob er Jude sei, wird der kanadische Filmemacher Jamie Kastner immer wieder gefragt – und antwortet meist in klassisch jüdischer Manier mit einer Gegenfrage: »Warum wollen Sie das wissen?« Jetzt hat Kastner aus Frage und Gegenfrage eine abendfüllende Dokumentation gemacht. Kike like me lief bereits auf Festivals in Nordamerika und wurde in der BBC und beim amerikanischen Kabel-TV-Kanal Sundance TV ausgestrahlt.
Der Film ist als bewusste Provokation für Juden wie Nichtjuden gleichermaßen angelegt. Dafür bürgt schon der Titel: »Kike« ist ein amerikanisches Schimpfwort für Juden, vergleichbar dem deutschen »Itzig«. Für sein, wie er es beschreibt, »schwarzhumoriges Roadmovie über jüdische Identität«, ist Kastner quer durch die Welt gereist. In Brooklyn legten Lubawitscher mit ihm Tefillin, in einer Vorortsiedlung von Paris drohten junge arabische Immigranten ihm eine »zweite Beschneidung« an, in Berlin präsentierte Lea Rosh ihm ihr Holocaustmahnmal und in Auschwitz aß der Filmemacher an der Würstchenbude in der Gedenkstätte zu Mittag. Dazwischen montiert sind Szenen aus dem Film Gentleman’s Agreement von 1947, in dem Gregory Peck einen christlichen Journalisten spielt, der sich als Jude verkleidet, um Antisemitismus in der guten Gesellschaft der USA zu entlarven.
So witzig der Film daherkommt: Jamie Kastners Fazit seiner jüdischen Weltreise ist, sagt er, deprimierend. »Man wird beim gegenwärtigen Stand der Identität festgelegt auf das, was die ärgsten Feinde von einem denken – Straßenlümmel, die einen als ›Saujud’ beschimpfen. Wir sind immer noch Erben des Albtraums von Auschwitz.« Michael Wuliger
Jamie Kastner