von Sylke Tempel
Nach tagelangen Auseinandersetzungen hat Jerusalems Bürgermeister Uri Lupolianski am Sonntag ein Machtwort gesprochen. Weitere Arbeiten an der Mughrabi-Brücke würden eingestellt, »um den Bür- gern Jerusalems die Möglichkeit zu geben, ihre Einwände zum Ausdruck zu bringen.« Das Bauministerium kündigte hingegen die Fortsetzung der Arbeiten an, während die für die Konstruktion zuständige Firma erklärte, die Pläne noch einmal überarbeiten zu wollen.
Von diesen widersprüchlichen Entscheidungen sind gewiss nicht nur die »Bürger Jerusalems« betroffen, sondern neben der israelischen Regierung und der »Israel Antiquities Authority« auch der für die Verwaltung des Moschee-Areals auf dem Haram al-Scharif zuständige »Waqf«, das jordanische Königshaus, dem im israelisch-jordanischen Friedensvertrag von 1994 gesonderte Rechte über den Haram zugesichert wurden, und nicht zuletzt die berüchtigte »arabische Straße«.
Seit Beginn der lang angekündigten Bau- arbeiten in der vergangenen Woche hagelt es Proteste von arabischer Seite. Dass Ausbesserungsarbeiten notwendig geworden waren, nachdem eine provisorische Holzkonstruktion 2004 nach heftigen Regenfällen und einem Erdbeben zusammengebrochen war, hält man für eine Schutzbehaup- tung. Vielmehr wolle Israel, so der arabische Knesset-Abgeordnete Taleb al-Sana, den Haram al-Sharif unterhöhlen, auf diese Weise Felsendom und Al-Aksa-Moschee – drittwichtigstes Heiligtum nach Mekka und Medina – zum Einsturz bringen und an deren Stelle den Dritten Tempel errichten. Derlei Behauptungen von einem israelischen Parlamentsabgeordneten zu hören, ist umso unverständlicher, als er Einsicht in den gesamten Entscheidungsprozess und die Bauplanungen nehmen kann: Der Waqf war im Vorfeld informiert worden, und die notwendigen Grabungen finden nicht unter dem, sondern westlich des Haram statt.
Gerade in der »Heiligen Stadt« Jerusalem aber erschwert eine gierige Lust, sich in seinen jeweiligen nationalen und religiösen Gefühlen verletzt zu fühlen, die Suche nach vernünftigen Kompromissen. Mit dem Slogan »Rettet die Al-Aksa-Moschee« riefen islamistische Organisationen in Israel zu Protesten auf. Am Freitag kam es zu schweren Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Steine werfenden Demonstranten.
Seit Israel 1967 den Tempelberg eroberte, sind derlei Vorwürfe zu hören. Regelmäßig berichten arabische Medien über Randgruppen wie die »Getreuen des Tempel- bergs«, die tatsächlich fordern, die »islamischen Scheußlichkeiten« zu sprengen und an deren Statt den Dritten Tempel zu errichten. Dass diese Gruppierung bislang nicht verboten wurde, gilt als Beweis für die »finsteren Absichten« Israels. Selten findet jedoch Erwähnung, dass noch jede israelische Regierung versicherte, an der Verwaltung der Heiligtümer durch eine islamische Behörde nichts ändern zu wollen, dass sich der von der jordanischen Regierung vor 1967 vernachlässigte Haram noch nie in besserem baulichen Zustand befand und dass der Waqf jede Spur eines jüdischen Tempels unter den Moscheen zu tilgen versucht.
Islamistische Organisationen und arabische Medien kündigen weitere Proteste gegen die Baumaßnahmen an. Israels Premier Ehud Olmert hielt prompt dagegen. Das letzte Wort sei noch nicht gesprochen. Israels Souveränität im Umfeld des Tempelberges sei nicht verhandelbar. Unterdessen gehen zumindest die archäologischen Arbeiten unverändert weiter.