von Yitzhak Ahren
Es kommt nicht oft vor, dass ein berühmter katholischer Theologe das Geleitwort zu dem Buch eines orthodoxen Rabbiners schreibt. In diesem Fall ist es Hans Küng, der Wie wir den Krieg der Kulturen noch vermeiden können von Jonathan Sacks fast hymnisch lobt: »Sein Aufruf für Toleranz in einer Zeit des Extremismus ist in beispielhafter Weise durchdacht und verbindet ungeschönten Realismus mit einer lebendigen Hoffnung aus der Tiefe des Glaubens ...«
Jonathan Sacks, der seit 1991 in London als Oberrabbiner der United Hebrew Congregations of the Commonwealth amtiert, hat schon eine Reihe von Studien über religiöse und sozialphilosophische Themen veröffentlicht. Die Abhandlung über die Gefahr eines Kampfes der Kulturen – für die Londoner Times »das Buch des Jahres«, sein erstes, das ins Deutsche übersetzt worden ist.
Der britische Chief Rabbi ist ein außerordentlich belesener Mann; er zitiert aufschlussreiche Passagen aus den Schriften von Theologen, Philosophen, Soziologen, Wirtschaftswissenschaftlern und Historikern. Scheinbar mühelos gelingt es Sacks, komplizierte Sachverhalte transparent zu machen. Er skizziert sowohl die Vorteile der Globalisierung als auch die Argumente ihrer Gegner. Dabei referiert er nicht nur kontroverse Standpunkte, sondern ergreift immer wieder Partei; stets hat er dabei das Ziel im Auge, allen Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen. Er erklärt, warum die Marktwirtschaft moralisch sein muss, und warum es so wichtig ist, dass jedes Kind eine möglichst gute Bildung erhalten kann. Ist es hinzunehmen, fragt er, dass von den Kindern unserer Zeit 113 Millionen nicht zur Schule gehen?
Wie kann man nach Sacks den Krieg der Kulturen vermeiden? Indem alle Parteien die Würde der Verschiedenheit anerkennen und respektieren. »Schon viel zu lange zieht sich durch die Geschichte eine breite Blutspur, gezogen im Namen Gottes«, schreibt Sacks. »Wenn jetzt religiöse Extremisten über Massenvernichtungswaffen verfügen, wird das zur Bedrohung der Sicherheit des Lebens als solchem auf dieser Erde. Wir müssen in unserer immer stärker vernetzten Welt das Bewusstsein erwerben, dass uns Verschiedenheit nicht bedroht, sondern bereichert.«
Sacks plädiert für ein realistisches und praktisches Konzept: »Keine Religion kann präzise Maßnahmen für die Minderung von Hunger und Krankheit vorlegen. Was die Religionen tun können und müssen, ist, dass sie uns kollektiv mit einer Vision von der Solidarität aller Menschen inspirieren sowie mit Konzepten wie demjenigen der Zedaka in der jüdischen Tradition und deren Entsprechungen in anderen Glaubensüberlieferungen. Das könnte als breit angelegte moralische Vorlage für die Schaffung einer fairen und akzeptablen Welt dienen.«
Was bei der Lektüre leider stört, ist die nicht fehlerfreie Übersetzung von Bernardin Schellenbergert. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Der Talmudlehrer Rava lebte nicht im 14. Jahrhundert, sondern tausend Jahre zuvor. Und Mosche Rabbenu hat vom Ewigen auch nicht die Anweisung erhalten, »zwei Steintafeln anzufertigen und zu beschriften«. Sacks hat das so nicht geschrieben. Ein Blick in die Bibel, Buch Exodus 34, 1 hätte gereicht.
Dennoch, Hans Küng hat recht: »Wenn jemand sich fragt, wie die jüdische Religion zum Dialog der Religionen beitragen kann – hier ist eine bemerkenswerte Antwort auf hohem Niveau, die Wege in die Zukunft eröffnet!«
jonathan sacks: wie wir den krieg der kulturen noch vermeiden
können
Übersetzt von Bernardin Schellenberger Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2007, 288 S. 19,95 €.