von Elke Wittich
Die Geldnöte jüdischer Gemeinden werden immer dann sichtbar, wenn diese um Spenden bitten, etwa für den Neu- oder Umbau einer Synagoge. Die vielen kleinen und großen, materiellen oder immateriellen Wünsche bleiben oft unerkannt und unerfüllt. Doch gerade sie prägen das tägliche Leben.
Beispiel Baden-Baden: Für viele Menschen Synonym für Geld, Glamour und Casino. Entsprechend müsste auch die jüdische Gemeinde eine der reichsten in Deutschland sein, ließe sich denken. Die Realität sieht anders aus. »Wir haben nur das zur Verfügung, was wir aus Kirchensteuermitteln erhalten«, erzählt Yehudit Pöschke, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Baden-Baden. Nebeneinnahmen zum Beispiel durch Immobilienbesitz, Fehlanzeige. Auch die Stadt schwimmt nicht im Geld, die Einnahmen des Casinos gehen zum größten Teil ans Land.
Pöschkes Wunschliste für die Gemeinde ist entsprechend lang. Ganz oben stehen Möbel und Büroausstattung für das vor einem Jahr gemietete Gemeindezentrum. Geschirr gebe es genug, eher werden Tische und Stühle gebraucht. Für das Büro benötigt die Gemeinde sogar die Grundausstattung wie Fax, Kopierer, Computer, und die dazugehörige Software. Auch im Büro fehlen Sitzgelegenheiten. Ratsuchende müssen während der Sprechstunde meist stehen. »Wir haben kaum Möglichkeiten, diese Dinge mit unserem normalen Etat zu bezahlen«, sagt Pöschke. In der Synagoge soll der alte, unansehnliche Teppich durch einen neuen Bodenbelag ersetzt werden. Außerdem werden Bibeln und Siddurim in Hebräisch und Russisch benötigt. »Denjenigen, die regelmäßig zum Gottesdienst kommen, schenken wir Bibel, Gesangbuch sowie Tallit. Bei den Finanzen drückt der Schuh an vielen Stellen, und überall tut es weh«, klagt die Gemeindevorsitzende.
Die Düsseldorfer Gemeinde macht sich hingegen keine Sorgen um fehlende Büroeinrichtungen. In der Rheinmetropole gibt es andere Schwierigkeiten. Seit Einführung von Hartz IV sei die Hilfe für Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion viel schwieriger geworden, berichtet Melitta Neumann von der Sozialabteilung. Sie wünscht sich bessere Kontakte zwischen Sozialarbeitern und Behörden. Die neu geschaffenen Arges, die für die Auszahlung des Arbeitslosengeldes II zuständigen Jobcenter, sind nur noch über eine Service-Hotline zu erreichen. Wenn sie für einen Klienten dolmetschen müsse, geriete sie immer wieder in einen Teufelskreis, sagt Neumann. Aus Datenschutzgründen dürfen die Arge-Mitarbeiter mit ihr nicht über den jeweiligen Fall sprechen. »Der Klient versteht jedoch die Arge-Leute nicht.« Einen Gesprächstermin zusammen mit dem Dolmetscher, zu vereinbaren oder nur dafür zu sorgen, dass der zuständige Sachbearbeiter informiert wird, sei immens schwierig. Sie erhalte noch nicht einmal Auskunft darüber, ob der Klient dort überhaupt registriert ist.
Melitta Neumann hat noch einen Wunsch: ein Haus für erwachsene russischsprachige psychisch Kranke. Bisher gibt es keine Einrichtung, in der Ärzte und Pflegepersonal russisch sprechen, was die Situation für diese Kranken sehr schwierig macht. »Sie können einfach kein Deutsch mehr lernen.« Der Aufenthalt in einer Pflegeeinrichtung sei für sie daher noch schlimmer und verwirrender als er es für deutschsprachigen Patienten schon ist.
Entsprechend groß sind die Sorgen der Eltern und Angehörigen, die meist schon sehr alt sind und sich nicht mehr zu Hause um die psychisch kranken Familienmitglieder kümmern können. »Die Angst, was aus dem Kind werden soll, wenn sie selbst eines Tages nicht mehr können, ist riesengroß«, weiß Melitta Neumann.
Jacques Marx, Vorsitzender der Duisburger Gemeinde, hat Probleme religiöser Natur. Er wünscht sich mehr Gottesdienstbesucher. Während russische Konzerte, Lesungen und Vorträge gut besucht würden und Leute kommen, die er noch nie gesehen habe, gehe die Zahl der Gottesdienst-Besucher immer mehr zurück. »Ich weiß nicht, woran dies liegt. Wir tun doch schon alles, was wir können«, sagt der Gemeindevorsitzende und fragt: »Wie kann man Leute motivieren, zum Gottesdienst zu kommen, die es nicht in der Kindheit gelernt haben?« Grundsätzlich klagen auch andere Religionsgemeinschaften über mangelnde Gottesdienstbesucher. Das weiß auch Jacques Marx. »Aber wir Juden haben doch aus Not immer mehr zusammengehalten.« In Duisburg hofft man nun auf die junge Generation, die zum Religionsunterricht geht und in Feriencamps ans Judentum herangeführt werden soll.
Den Stolz aufs Judentum zeigen, das wünscht sich Hans Rosengold. Die Leistungen jüdischer Künstler vermitteln, möchte der Vorsitzender der Regensburger Gemeinde. Zu russischsprachigen Kulturveranstaltungen kämen viele Besucher, berichtet er. Doch bei Konzerten fehlten häufig die Werke von Komponisten aus jüdischen Familien. Für ihre Integration sei es wichtig, dass die Zuwanderer auch die Kulturgeschichte der deutschen Juden kennenlernen. »Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wäre es ein Wunschkonzert«, sagt Rosengold. »Ein solches Konzert sollte eine Mischung aus alter und neuer Klassik und Filmmusiken sein.« Rosengold zählt Stücke von Max Bruch und Louis Lewandowsky, aus der Jahrhundertwende stammende synagogale Musik auf. Man könne auch Gustav Mahler, Felix Mendelssohn Bartholdy und George Gerswhin spielen, dazu die Hatikwa, die im bayerischen Klassikradio derzeit so oft in der Fassung aus Spielbergs Film »München« gespielt wird.
Gespielt von einem Symphonieorchester, wäre ein solches, in mehreren Städten aufgeführtes Konzert, sicher ein großer Erfolg, glaubt Rosengold. »Und würde auch den Nichtjuden zeigen, wie groß und vielfältig der jüdische Anteil an der musikalischen Klassik ist.« Das wäre ein Wunsch, der doch schnell zu erfüllen ist.