Jüdische Akademie

Wissen, Wissen, Wissen

von Michael Brenner

Die vergangenen Jahre haben die jüdische Gemeinschaft grundlegend verändert. Wir haben neue Mitglieder bekommen. Wir haben neue Synagogen gebaut. Wir haben neue jüdische Museen und Lehrstühle für Jüdische Studien an unseren Universitäten. Trotzdem wissen wir nicht, ob wir hier eine Zukunft haben werden. Nicht wegen des wieder erstarkten Rechtsextremismus und nicht wegen des neuen Islamismus. Unsere Feinde werden wir überleben. Doch sind wir gegen das wachsende Unwissen in unseren eigenen Reihen gewappnet?
Es gibt zwar viele neue Gebäude, aber wenig neue Konzepte. Die wenigen bezahlten und ehrenamtlichen Aktiven in den Gemeinden, darunter eine wachsende Anzahl Neuzuwanderer, sind oftmals mit ganzer Kraft für jüdische Belange tätig, doch an den Rändern bröckelt es kräftig. Die letzte Generation, die vor dem Krieg in Osteuropa in einem vollständig jüdischen Kontext aufwuchs, ist kaum noch vorhanden. Das Wenige, das sie an ihre Kinder weitergeben konnte, vertröpfelt in der nachfolgenden Generation nahezu völlig.
Unser bisheriges Konzept lautete, ein paar zumeist aus Israel oder den Vereinigten Staaten importierte Experten fürs Judentum, seien sie Rabbiner, Lehrer oder Kantoren, in die Gemeinden zu holen, in kritischen Momenten Solidarität mit Israel zu bekunden und Judentum als Organisation zur Bekämpfung des Antisemitismus zu verstehen. Die jüdischen Volkshochschulen, die universitären Einrichtungen und jüdischen Museen sind vor allem ein wichtiges Instrument zur Vermittlung des Judentums an eine interessierte christliche Umwelt. Man mag einwenden, es gibt mittlerweile die Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg, das Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam und die diversen Erzie- hungseinrichtungen der Lauder Foundation. All dies ist richtig und wichtig – und doch nicht genug. Diese Einrichtungen mögen tatsächlich den Grundstein für eine kleine Zahl einer neuen religiösen Elite jüdischen Lebens in Deutschland legen. Für die große Mehrheit stellt ein Vollzeitstudium an diesen Institutionen jedoch keine realistische Option dar. Viele aber würden gelegentlich an Seminaren und Veranstaltungen teilnehmen, die es erlauben, nebenher jüdisches Wissen zu vermitteln und dabei auch Mitglieder anderer jüdischer Gemeinden kennenzulernen.
Der Ort, an dem das und mehr passieren kann, ist eine Jüdische Akademie. Es gibt Katholische und Evangelische Akademien überall in Deutschland, sogar eine Islamische Akademie. Warum gibt es keine Jüdische Akademie? Als knapp 30.000 Juden hier lebten, mag dies entschuldbar gewesen sein. Doch eine Gemeinschaft mit mehr als 100.000 Mitgliedern benötigt eine solche Einrichtung. Die Juden brauchen sie, um sich in Veranstaltungen untereinander auszutauschen sowie um ihr Wissen über ihre eigene Kultur und Religion zu stärken. Die Nichtjuden brauchen sie ebenso, denn das Bedürfnis nach jüdischem Wissen wächst mit der Sichtbarkeit von Synagogen und Gemeindezentren. Deutschland braucht sie, denn hier ist das Konzept von Bildungseinrichtungen der verschiedenen Religionen tief verankert, und das Fehlen einer Jüdischen Akademie spürbar.
Eine solche Akademie ist zum einen ein inneres Forum für Wochenendseminare mit ganz konkreten Fragen. Aber die Akademie darf kein angestaubtes Refugium zur reinen Vermittlung jüdischen Allgemeinwissens werden. Heikle Themen dürfen nicht ausgeklammert werden: Wie kann die Gemeinde nicht jüdische Partner besser integrieren? Wie können wir den neuen religiösen Pluralismus sinnvoll nutzen? Wie gehen wir mit Israelkritik in unseren eigenen Reihen um? Angesprochen werden alle Altersgruppen, aber insbesondere die dem Studentenalter entwachsenen und noch nicht ins Seniorenalter vorgerückten Jahrgänge zu gewinnen, wird eine besondere Herausforderung werden. Auf einer zweiten Ebene muss die Akademie sich nach außen wenden. Der Dialog mit dem Islam ist hier zu führen, Aufklärung über Israel tut ebenso not wie die Entwicklung eines Bildungsprogramms für Jugendliche, die zum Thema Judentum oft nur die Stichworte Holocaust und Nahostkonflikt kennen. Die Akademie muss ein Ort des offenen und des spannenden Gesprächs für die nächste Generation werden.
Der deutsche Staat muss einer derartigen Akademie Förderung zukommen lassen. Der Zentralrat ist gefragt, die Etablierung einer solchen Akademie als einer un-
abhängigen und professionellen Einrichtung zu unterstützen. Jüdische Intellektuelle in den deutschsprachigen Ländern sollten sich der Mitarbeit nicht verweigern. Sonst werden wir zwar die schönen Fassaden der neuen Synagogen und Gemeindezentren bewundern, jüdisches Leben aber nur noch im Museum betrachten können.

Der Autor ist Professor für Jüdische
Geschichte an der Universität München.

Washington

Trump ordnet Angriffe auf Huthi-Terrormiliz an

Huthi-Milizen greifen vom Jemen immer wieder Schiffe an. US-Präsident Trump reagiert mit Härte

 15.03.2025

Erfurt

Israelischer Botschafter besucht Thüringen

Botschafter Ron Prosor wird am Montag zu seinem Antrittsbesuch in Thüringen erwartet

 15.03.2025

Berlin

Antisemitische Farbschmiererei an Hauswand in Berlin-Mitte

Die Gedenktafel in der Max-Beer-Straße ist Siegfried Lehmann (1892-1958) gewidmet

 14.03.2025

Berlin

Bundesregierung begeht Gedenktag für Opfer von Terror

Im Auswärtigen Amt werden dazu Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erwartet

 11.03.2025

München

Mann soll Plagiat wegen Obduktion seiner toten Mutter inszeniert haben

War es ein irrer Racheplan? Ein Mann soll mit der Fälschung eines Buches einem Rechtsmediziner geschadet haben. Seine Verteidigung fordert Freispruch – und auch er selbst äußert sich sehr ausführlich.

 07.03.2025

Hamburg

Wähler lassen AfD rechts liegen, Zeichen stehen auf Rot-Grün

In Hamburg hat Bürgermeister Tschentscher (SPD) weiterhin den Hut auf. Die AfD gewinnt Stimmen hinzu, bleibt aber vergleichsweise schwach

von Markus Klemm, Martin Fischer  03.03.2025

Israel

Tausende Israelis demonstrieren für die Freilassung der Geiseln

Die erste Phase der Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas endet ohne eine Vereinbarung über eine Fortsetzung

 02.03.2025

Berlin

Geräuschlose Premiere: Schwarz-Rot sondiert still und leise

Möglichst bis Ostern soll die neue Bundesregierung stehen. Kein Selbstläufer, denn im Wahlkampf gab es viele Verletzungen. Wie problematisch diese sind, zeigt eine Umfrage in der SPD

von Marco Hadem  28.02.2025

Berlin

Entscheidung über Samidoun-Verbot dieses Jahr

Der Verein Samidoun, das Islamische Zentrum Hamburg, »Compact« - das Bundesinnenministerium hatte zuletzt eine Reihe von Vereinsverboten erlassen. Über einige wird demnächst entschieden

 26.02.2025