»Wir wussten nicht, was uns gegeben wurde«
Anthrax-Tests: Soldaten klagen über Spätfolgen
Die israelische Armee (IDF) hat 1999 an Hunderten von Soldaten geheime medizinische Versuche durchgeführt, die zur Entwicklung eines Impfstoffs gegen Milzbrandbakterien dienen sollten. Diese Bak-
terien, auch Anthrax genannt, werden als biologischer Kampfstoff verwendet. An-
thrax ist eine tödliche bakterielle Krankheit, die USA etwa lassen ihre Truppen schon seit Jahren dagegen impfen. Die IDF bestätigte auf Anfrage der Jüdischen Allgemeinen, dass die Experimente vorgenommen wurden, »um den Schutz der israelischen Bevölkerung vor strategischen Bedro-
hungen zu verbessern«. Sie seien von den zuständigen Stellen genehmigt worden und unter Beachtung der Helsinki-Erklärung zu medizinischen Versuchen mit Menschen durchgeführt worden. Am Ende der Forschung stand ein eigener israelischer Anthrax-Impfstoff, doch Dutzende der Männer sind mittlerweile schwer erkrankt.
Das TV-Magazin »Uvda« (Fakten) des zweiten Fernsehkanals hatte in der vergangenen Woche berichtet, dass die Armee die Versuche Ende der 90er Jahre an etwa 700 Soldaten vorgenommen hatte – unter dem Siegel der völligen Verschwiegenheit. Weder Eltern noch Offiziere der Teilnehmer wussten davon. Das Verteidigungsministerium betont jedoch, dass die Teilnahme »völlig freiwillig war und dass die Soldaten jederzeit hätten aussteigen können«. Einer Gruppe sei der US-Impfstoff und einer anderen der experimentelle israelische injiziert worden.
Giora Martinovitch, der ehemalige Gesundheitsbeauftragte der Armee, erklärte im israelischen Radio, die Versuche seien angeordnet worden, weil man Angriffe mit biologischen Kampfstoffen von Saddam Hussein befürchtet habe und der amerikanische Impfstoff damals nicht in großen Mengen zu kaufen gewesen sei.
Das Fernsehen berichtete weiter, dass mehrere der Soldaten in den letzten Jahren verschiedene Krankheiten entwickelt haben, bei einigen entstanden unerklärbare Hauttumore, andere bekamen Lungenentzündungen, leiden unter schweren Migräneanfällen, Bronchitis oder Epilepsie-
Symptomen. Als Betroffene eine Verbindung zwischen ihren Erkrankungen und den Impfungen herstellten und um Auskunft baten, wurden sie mit der Begründung abgewiesen, die Informationen seien unter Verschluss.
»Wir wussten überhaupt nicht, was uns gegeben wurde«, sagte einer der ehemaligen Test-Teilnehmer im Fernsehen. »Aber es wurde uns versichert, das Mittel sei völlig sicher und sehr hoch entwickelt.« Die Armee erklärte indes, alles hätte unter akribischer medizinischer und ethischer Überwachung stattgefunden, und die Soldaten seien seinerzeit mit detaillierten Erklärungen zu den Versuchen versorgt worden. Sabine Brandes