Herr Botschafter, ein Vatikansprecher soll erklärt haben, der Prozess der Seligsprechung von Papst Pius XII. sei nach jüdischen Protesten gestoppt worden. Aus Ihrer Sicht eine gute Nachricht?
lewy: Erstens äußern wir uns offiziell nicht zu internen Angelegenheiten der katholischen Kirche. Und ein solches Verfahren ist eine interne Angelegenheit. Zweitens erkennen wir als Juden bekanntermaßen keine Selig- und Heiligsprechungen an. Zudem hat das entsprechende Prozedere noch gar nicht begonnen. Somit konnte es auch nicht gestoppt werden. Um ein solches Verfahren in Gang zu setzen, müsste der Papst selbst ein Dekret unterschreiben, wonach der Kandidat heldische Tugenden hat. Das ist bislang nicht ge-
schehen.
Dennoch sagt der israelische Minister Itzhak Herzog, eine Selig- und Heiligsprechung von Pius XII. sei nicht hinnehmbar.
lewy: Noch einmal: Wir haben in dieser Frage nicht mitzureden. Wohl aber, wenn es um die historische Rolle von Pius XII. während der Schoa geht.
Und wie wird man ihm gerecht?
lewy: Ich denke, dass es wichtig und nötig wäre, die Archive des Vatikans zu öffnen und den Forschern das relevante Material zugänglich zu machen. Dann könnte die historische Rolle von Pius XII. besser beurteilt werden.
Besser als von Yad Vashem? In der Jerusalemer Forschungs- und Gedenkstätte wird in einer Bildunterschrift seines Fotos darauf verwiesen, dass Pius XII. zur Judenverfolgung geschwiegen hat (vgl. S. 13).
lewy: Die Tafel in Yad Vashem ist kein Forschungs-, sondern höchstens ein Zwischenergebnis. Sie hat einen museumsgerechten didaktischen Charakter. Auf jeden Fall wird diese Tafel – so haben wir es von einem Vatikansprecher gehört – bei der Frage, ob und wann der Papst Israel einen Besuch abstatten wird, nicht entscheidend sein.
Also sollte Benedikt XVI. dem Beispiel Johannes Pauls II. folgen und nach Israel reisen?
lewy: Ja. Er ist erneut von Präsident Schimon Peres eingeladen worden. Aber auch in der Frage, ob und wann er kommt, werden wir uns nicht in die inneren Angelegenheiten des Vatikans einmischen.
Mit dem israelischen Botschafter im Vatikan sprach Detlef David Kauschke.