Herr Palenker, Sie haben in der Repräsentantenversammlung (RV) den Wirtschaftsplan 2010 vorgestellt. Mal abgesehen von den Turbulenzen im Vorstand: Wie sieht die fi-nanzielle Situation der Gemeinde aus?
Ernst, aber nicht hoffnungslos.
Können Sie das etwas genauer beschreiben?
Wir haben im Augenblick sicherlich eine Form von Liquiditätsnot, was nicht weiter verwunderlich ist. Im Rahmen des Konjunkturpaketes II haben wir um-
fangreiche Sanierungsmaßnahmen durchgeführt, die dazu führen, dass wir in Zukunft bei den Betriebskosten in den Schulen und der Kita sparen können. Des Weiteren haben wir Mittel für die Sicherung des Da-
ches der Auguststraße 15 erhalten. Das sind kofinanzierte Maßnahmen in beträchtlicher Höhe. Insgesamt erhält die Gemeinde für bauliche Maßnahmen nach jetzigem Stand bis 2011 rund 5,5 Millionen. Euro Zuwendungen. Die Gemeinde musste jedoch mit ihrem Eigenanteil für Maßnahmen mit 1,1 Millionen in Vorleistung gehen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass wir klamm sind.
Gibt es noch weitere Schwierigkeiten?
Wir haben immer noch ein strukturelles Defizit, an dem wir zwar arbeiten, es kurzfristig aber nicht loswerden. So gehen auch unsere Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung aufgrund des schlechten baulichen Zustands der nichtbetriebsnotwendigen Immobilien zurück.
Gibt es weitere Gründe für das Defizit?
Zu den Ursachen des Defizits gehört die Zu-satzversorgungsordnung der ehemaligen Mitarbeiter. Alleine für das Haushaltsjahr 2010 werden wir 755.000 Euro für unsere Rentner aus Gemeindemitteln aufwenden müssen, ohne dass wir daran etwas ändern können. Wir müssen dafür einstehen, was unsere Vorgänger zugesagt haben.
Sie sprechen damit die Betriebsrente an?
Ja. Wir wenden mehr als die Hälfte unserer Steuereinnahmen dafür auf. Allein die alten Zusagen und die Tatsache, dass in den nächsten Jahren Mitarbeiter nach und nach in Rente gehen werden, wird dazu führen, dass die Belastung zunächst noch weiter an-
wächst.
Stellt der Senat aufgrund der falschen Rentenberechnung noch Rückforderungen an die Gemeinde?
Vor knapp zwei Jahren mussten wir ja schon einmal 500.000 Euro für die Jahre ab 2005 zurückzahlen. Der Verstoß gegen das Besserstellungsverbot des Staatsvertrages vor 2005 kann sich zu einem Riesenproblem auswachsen. Die Zahlen werden in diesen Tagen er-
mittelt und bewegen sich in Millionenhöhe.
Sie haben in der jüngsten RV einen neuen Begriff eingeführt, das Defizit-Center. Was ist darunter zu verstehen?
Das sind die Bereiche, in denen wir erheblich mehr Ausgaben als Einnahmen haben, sodass wir dort mit Priorität tätig werden müssen. So zum Beispiel im Bildungsbereich: Schulen und Kita haben zusammen ein Defizit von 1,3 Millionen Euro jährlich, das entspricht der Höhe unserer Steuereinnahmen. Nun hoffen wir, mit einer Attraktivitätssteigerung – unter anderem durch bauliche Maßnahmen oder die Einführung der Smartboards – eine bessere Auslastung zu erreichen. Zudem führt die energetische Sanierung der Gebäude zu erheblichen Einsparungen und somit zur Verringerung des strukturellen Defizits.
Apropos Personal: Die Gemeinde soll in dieser Legislaturperiode mehr als 40 Mitarbeiter neu eingestellt haben. Wie passt das zum Sparkurs?
Es ist richtig, dass es 43 Eintritte in Ar-
beitsverhältnisse gab. Wir hatten aber auch 63 Austritte, somit wurden insgesamt 19 Mitarbeiterstellen abgebaut. Die Richtung stimmt also!
Zählen Sie zu dem Defizit-Center auch die Anschaffung der 14 Dienstwagen?
Nein. Die Ersatzbeschaffung von PKWs war in etlichen Bereichen, wie Sozialabteilung, Bau- und Sicherheitsabteilung sehr sinnvoll, da sie kaum Reparaturkosten verursachen und dringend benötigt wurden.
Wie sieht es mit den Mieteinnahmen aus den Gemeinde-Immobilien aus?
Wir haben unheimlich viele marode Immobilien, die bisher unsere Melkkuh waren. Jetzt sind sie teilweise in einem Zustand, in dem man etwas machen muss. Wenn wir langfristig unsere Mieteinnahmen steigern wollen, die Vermietbarkeit teilweise herstellen oder teilweise erhalten wollen, dann müssen wir Geld in die Hand nehmen. Wenn man eine Kuh immer nur melkt und nicht füttert, führt das dazu, dass es irgendwann ein Problem gibt.
Wie hoch ist der Etat für 2010?
Er liegt bei etwa 27 Millionen Euro, wie gehabt. Die Gehälter betragen allein 15,6 Millionen. Zusätzlich leisten wir jährlich 1,48 Millionen Versorgungsleistungen für ehemalige Mitarbeiter der Gemeinde.
Wie hoch ist das Defizit?
Voraussichtlich liegt das für das Jahr 2010 geplante Defizit bei rund 2,85 Millionen Euro. Wir hoffen, wie bereits 2008, am Ende deutlich unter der Planung zu bleiben.
Dem
Vor-
stand wird der
zeit vor-
gehalten, dass er lie- ber teure Dienstwagen als dringend be-
nötigte Stühle für die Sefardische Synagoge anschafft. Was entgegnen Sie auf diese Vorwürfen?
Diese polemische Zuspitzung eines Einzelnen möchte ich nicht kommentieren. Tatsache ist, dass es dem Vorstand gelungen ist, einen Sponsor für die Bestuhlung zu finden, sodass dieses Thema in den nächsten Wochen erledigt werden kann.
Wie hoch ist die Unterstützung des Kultusbereiches insgesamt?
Der Etat der Kultusabteilung liegt unverändert bei 3,45 Millionen Euro, schließlich ist das unser Kernbereich.
Hat der Vorstand Ihrer Meinung nach Fehler gemacht?
Wir haben in vielen Bereichen Fortschritte gemacht, aber sind sicher noch nicht da, wo wir sein wollten. Natürlich sind uns Fehler unterlaufen. Wir haben auch viel gearbeitet. Beispielsweise ist die Beziehung zum Senat deutlich besser geworden. Aber das Aufräumen und der Umbau in der Verwaltung wird noch etliche Zeit brauchen. Auch dabei werden wir vor Fehlern nicht gefeit sein.
Was waren die Fehler?
Ich überlasse es der Opposition, den Finger in die Wunde zu legen.