Herr Rabbiner, der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit begeht diese Woche sein 60-jähriges Bestehen. Was gibt’s zu feiern?
Sechs Jahrzehnte herausragende Arbeit, die deutschen Bürgern – christlichen und nichtchristlichen – geholfen hat, das Judentum besser kennenzulernen.
In letzter Zeit hat es herbe Rückschläge gegeben, man denke nur an die katholische Karfreitagsfürbitte und die Judenmission ...
Wir sind in diese Probleme nur am Rande verwickelt. Unsere Gesellschaften sind weder theologische Arbeitskreise noch Mittler zwischen Kirche und Judentum, sondern es geht uns vor allem um Erinnerungsarbeit und gemeinsame Projekte auf Praxisebene. Wir sind eine Volksbewegung.
Eine Volksbewegung braucht Volk. Doch dem jüdisch-christlichen Dialog geht der Nachwuchs aus.
Das ist wirklich ein Problem. Wir sind überaltert. Viele Mitglieder der Gesellschaften sind ältere Menschen. Aber ich erlebe oft, dass sich auch Jüngere für das Thema interessieren. Nur lassen sie sich nicht so leicht organisieren, sie treten unseren Gesellschaften nicht bei.
Was tun Sie dagegen?
Das ist die 64.000-Dollar-Frage. Wir als Dachorganisation können wenig tun, da müssen die örtlichen Gesellschaften aktiv werden. Wir haben kürzlich eine Jugendkommission gegründet, die Programme für junge Leute entwickeln soll.
Regelmäßig wird beklagt, dass sich nur sehr wenige jüdische Teilnehmer an Ihrer Arbeit beteiligen. Wie werben Sie in den Gemeinden um neue Mitstreiter?
Das Problem liegt in der Struktur der Gemeinden. Die Mehrheit der Mitglieder sind Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Für sie ist das christlich-jüdische Gespräch kein Thema. Sie müssen sich erst einmal mit ihrem Judentum auseinandersetzen. Hinzu kommt das Problem der Sprache. Aber ich denke, dass aus dieser Gruppe neue Mitglieder zu uns finden, sobald sie in den Gemeinden Fuß gefasst haben und sich sprachlich besser ausdrücken können.
Was tun Sie, damit das jüdisch-christliche Gespräch nicht noch über Jahre vor allem eine Veranstaltung der »Alteingesessenen« bleibt?
Etliche unserer Gesellschaften bieten Programme an, die besonders auf Zuwanderer und ihre praktische Integration zielen. Wir in Augsburg haben zum Beispiel eine Café-Synagoge. Da treffen sich Mitglieder der Gesellschaft mit Zuwanderern und sprechen vor allem über deren Kultur, weniger über christlich-jüdische Probleme. Ich denke, es ist tatsächlich vor allem eine Frage der Zeit. Je besser die Zuwanderer in die Gemeinden inte- griert sind, desto offener werden sie für ein Gespräch mit anderen Religionen sein.