von Stefan Wirner
Die Sicherheitsvorkehrungen für jüdische Einrichtungen in Deutschland sind noch einmal erhöht worden, nachdem die Behörden die Gemeinden und israelische Einrichtungen vor möglichen Anschlägen islamistischer Extremisten gewarnt hatten.
»Es gibt überhaupt keinen Grund, jetzt mit der Sirene durch die Stadt zu laufen«, sagte Stephan Kramer, der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, zu Wochenbeginn. Aber er bestätigte, dass man bereits am 11. Januar über eine »erhöhte Ge- fährdungssituation« informiert worden sei. Nach seinen Erkenntnissen gelte die Terrorwarnung nicht nur für jüdische In- stitutionen in der Hauptstadt, wie das Nachrichtenmagazin »Focus« am vergangenen Wochenende verbreitet hatte, sondern für Einrichtungen im gesamten Bundesgebiet.
Das Nachrichtenmagazin »Focus« hatte berichtet, dass Berlins jüdische Gemeinde und die israelische Botschaft von den Behörden vor Attentaten islamistischer Terroristen gewarnt worden seien. Vier verdächtige Araber seien demnach in Berlin beim Ausspähen jüdischer Einrichtungen ertappt und festgenommen worden. Drei von ihnen seien mittlerweile wieder auf freiem Fuß, der Vierte bleibe wegen anderer Delikte in Haft.
Kramer zufolge soll die Warnung auf Hinweisen aus dem Libanon basieren. Möglicherweise bestehe ein Zusammenhang mit den Prozessen gegen die sogenannten Kofferbomber von Köln. Erst Mitte Januar hatte es Warnungen vor An- schlagsplänen von Extremisten aus dem Libanon gegeben. Als mögliches Motiv war »Rache« für die Inhaftierung der »Kofferbomber« vermutet worden. Das Bundeskriminalamt gab später jedoch Entwarnung.
Die neue Entwicklung wurde zunächst weder vom Bundesinnenministerium noch von der Bundesanwaltschaft oder dem Bundeskriminalamt kommentiert. Ein Sprecher der Berliner Polizei sagte der Nachrichtenagentur AP am Wochenende nur, man beobachte die terroristische Szene und erhalte immer wieder Hinweise auf Attentatspläne. »Wir reagieren angemessen mit Gegenmaßnahmen und passen unsere Sicherheitsvorkehrungen ständig den neuen Gegebenheiten an«, sagte der Sprecher. Die Tageszeitung »Die Welt« vermutet, die erhöhte Gefährdung könne mit der Situation im Nahen Osten zu tun haben. Es sei angesichts der Lage in Israel »nicht auszuschließen, dass potenzielle Attentäter die Sicherheitsvorkehrungen sowie Kontroll- und Gegenmaßnahmen auszuspähen versuchen«, zitierte die Zeitung einen Sprecher der Berliner Polizei.
Weitere Details, die der »Focus« berichtet hatte, blieben unbestätigt. Etwa dass potenzielle Attentäter an einem geheimen Ort bereits eine große Menge Sprengstoff gelagert hätten. Es sei befürchtet worden, dass ein aus einer Werkstatt gestohlener Kleinbus der Bundeswehr als rollende Bombe eingesetzt werden sollte. Der Bus wurde inzwischen wiedergefunden – das Kennzeichen war abmontiert.
Der Terrorismusexperte Bernd Georg Thamm, der seit vielen Jahren Weiterbildungsseminare bei der Polizei und der Bundeswehr abhält, wies im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen darauf hin, dass in Deutschland bereits seit dem 11. September 2001 eine erhöhte Gefahr von Anschlägen bestehe. »Die nächste Stufe wurde erreicht, als die deutsche Marine ihre Arbeit vor der Küste des Libanon aufnahm. Das wurde von islamistischer Seite als deutsche Parteinahme für Israel interpretiert«, sagt Thamm. Auch die jüngste Abriegelung des Gasastreifens nach dem Dauerbeschuss Israels mit Kassam-Raketen könne die Gefährdung erhöhen. »Aber solche Situationen haben wir immer wieder gehabt«, so Thamm
Alles in allem gibt es nach Einschätzung Thamms in Deutschland zwar keine hunderprozentige, aber eine »relative Sicherheit«. Es bestehe ein über Jahre hinweg »gewachsenes Wissen, das ein sehr hohes Schutzniveau mit sich bringt«. Deutschland profitiere dabei vor allem auch von den Erfahrungen der israelischen Sicherheitsbehörden.