»Wir haben verläßliche Freunde und Partner«
Paul Spiegel über die ersten
hundert Tage der großen Koalition
Herr Spiegel, Bundeskanzlerin Angela Merkel ist jetzt gut hundert Tage im Amt. Wie fällt die Bilanz aus Sicht des Zentralrats aus (vgl. auch S. 2)?
spiegel: Angela Merkel ist es nicht nur gelungen, bei den drängenden innenpolitischen Problemen spürbare Fortschritte zu erzielen, sondern vor allem, das Vertrauen der Menschen in die politische Führung des Landes zurückzugewinnen. Mit ihrem Koalitionspartner Franz Müntefering hat die CDU-Chefin im Bereich der Arbeitsmarkt- und Finanzpolitik wichtige Akzente gesetzt, die über die Einigkeit mit der SPD hinaus die Fortsetzung des konsequenten Reformkurses für die Zukunft erkennen lassen. Dies schafft spürbare Zuversicht in weiten Teilen der Gesellschaft, trotz schwieriger und schmerzhafter Einschnitte gerade im sozialen Bereich.
Kann die jüdische Gemeinschaft mit Angela Merkels ersten hundert Tagen zufrieden sein?
spiegel: Als drittgrößte und immer noch am stärksten wachsende jüdische Gemeinschaft Westeuropas wissen wir, daß wir in der Regierung verläßliche Freunde und Partner an unserer Seite haben.
Woran machen Sie das fest?
spiegel: Angesichts der schwierigen Integrationsprozesse von zugewanderten Juden aus der ehemaligen Sowjetunion, einer desolaten Infrastruktur in vielen jüdischen Gemeinden und einem stetig steigenden Bedrohungspotential durch rechts- und linksradikalen sowie islamistischen Antisemitismus zeigt die neue Bundesregierung deutlich ihren Willen, das wieder erstarkende Judentum in Deutschland als gleichberechtigten Teil der Gesellschaft zu sichern und zu unterstützen. Dafür sind wir dankbar.
Und wie beurteilen Sie die deutsche Außenpolitik?
spiegel: Der Atomstreit mit dem Mullah-Regime im Iran gehört derzeit sicherlich zu den heikelsten und schwierigsten Aufgaben der Bundesregierung. Hier geht es um die Gefahr einer nuklearen Bedrohung nicht nur für Israel und den Nahen Osten, sondern auch für ganz Europa! Deshalb habe ich mich sehr darüber gefreut, daß Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier sich klar zum Existenzrecht des jüdischen Staates bekannt haben. Auch tut die klare Verurteilung der antisemitischen Parolen aus Teheran gut. Und die wiegt um so schwerer, weil Irans Staatschef Ahmadinedschad nicht aufhört, gegen Israel und die Juden zu hetzen und den Holocaust zu leugnen.
Mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden sprach Christian Böhme.