von Heide Sobotka
»Nürnberg darf nie wieder ein Platz für Rassisten, Antisemiten und Holocaust-Leugner werden«, rief Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly stellvertretend für die 5.000 Gegendemonstranten am Samstagnachmittag in der Nürnberger Innenstadt. Neonazis hatten zu einer Demonstration anläßlich des Jahrestages der Urteils- verkündung bei den Nürnberger Prozessen von 1946 aufgerufen. Nach Polizeiangaben waren diesem Aufruf 200 Neonazis gefolgt.
»Sie haben drei Stunden lang geredet, doch keiner hat sie gehört, weil wir sie übertönt haben«, sagt Arno Hamburger, Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg, sichtlich erfreut über den Erfolg der Gegendemonstranten. »Wir sind alle ganz euphorisch.«
Auch die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Fürth, Gisela Naomi Blume, engagierte sich bei einem Aktionsbündnis gegen die Neonazis. »Recht statt Rache«, den Slogan der rechten Demonstranten, empfindet sie als Verhöhnung der Opfer von Nazi-Terror und Gewalt. Blume hätte es gern gesehen, wenn mit einem Verbotsantrag gegen die rechte Demonstration schon im Vorfeld des Aufmarsches in Nürnbergs Hauptstraße Zeichen gesetzt worden wären. Sie hatte sich mit entsprechenden Briefen an die Oberbürgermeister von Fürth und Nürnberg gewandt (vgl. Jüdische Allgemeine vom 12. Oktober). »Der juristische Erfolg wäre wohl nicht sicher gewesen, aber ein moralischer«, sagt Blume.
Die Gemeindevorsitzende aus Fürth unterstützte die 160 Geschäftsleute, Anlieger der Straßen, durch die die Neonazis marschieren wollten. 3.000 Unterschriften hatten die Kleinunternehmer im Vorfeld gesammelt. Blume war am Donnerstag vor der Demonstration bei der Übergabe der Unterschriften an Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) dabei. An der Demonstration am Samstag nahm sie selber nicht teil. »Wir sind eine orthodoxe Gemeinde und feiern Schemini Azeret«, sagt Blume.
Anders Arno Hamburger. Er stand am Samstag in der ersten Linie gemeinsam mit seinen SPD-Genossen und Stadtratskollegen. Seit 34 Jahren ist Hamburger für die Sozialdemokraten im Nürnberger Stadtrat. Seit 1966 ist er Vorsitzender der Kultusgemeinde. »Wir können uns an einem solchen Tag nicht auf die Schabbatruhe beru- fen«, sagt er. Bei Pikuach Nefesch, der Gefahr für Leib und Leben, seien die Schabbatgesetze aufgehoben. »Und es war richtig so, wir haben die Herrschaften weder marschieren noch irgendwie zur Entfaltung kommen lassen«, betont der 83jährige. Rund 650 Gemeindemitglieder und Freunde hatten sich Hamburger angeschlossen, der Seite an Seite mit dem Nürnberger Oberbürgermeister und engen persönlichen Freund Ulrich Maly demonstrierte. »Wir haben Präsenz gezeigt, wir waren da.« Polizei und Verkehrsbetriebe arbeiteten mit den Gegendemonstranten eng zusammen: Eigens für sie hatten die Verkehrsbetriebe die Streckenführung der U-Bahn vom Kornmarkt zum Justizpalast vereinfacht, so daß die Demonstranten ohne Umsteigen geradewegs zum Justizpalast fahren konnten.