Herr Salm, Italiens oberster Gerichtshof hat vergangene Woche entschieden, dass deutsches Staatseigentum beschlagnahmt werden darf, um daraus NS-Zwangsarbeitern eine Abfindung zu zahlen (vgl. S. 2). Muss jetzt die Geschichte der Entschädigung um ein Kapitel ergänzt werden?
salm: Das muss bilateral, also zwischen den beiden Regierungen geklärt werden. Als es darum ging, ehemalige NS-Zwangsarbeiter zu entschädigen, hat man die italienischen Militärinternierten aus rechtlichen Gründen von den Zahlungen ausgenommen.
Welche rechtlichen Gründe waren das?
salm: Die italienischen Militärinternierten sind in einem von der Politik in Auftrag gegebenen völkerrechtlichen Gutachten als Kriegsgefangene eingestuft worden. Das hat verhindert, dass die Stiftung »Erinnerung, Verant- wortung und Zukunft« für diese Menschen humanitäre Zahlungen leisten konnte.
Aber die Militärinternierten wurden als Zwangsarbeiter ausgebeutet.
salm: Uns ist das Schicksal der Menschen sehr wohl bewusst. Ich kann die große Verbitterung der Betroffenen verstehen. Auch, weil Nazi-Deutschland ihnen ja den Status der Kriegsgefangenen abgesprochen hat, um sie als Zwangsarbeiter zu missbrauchen.
Hat die Stiftung nicht noch »stille Reserven«, die im Rahmen einer Geste des guten Willens genutzt werden könnten?
salm: Wir haben das gesamte Geld ausgegeben, das für die Entschädigung der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter vorgesehen war. So konnten mehr als 1,6 Millionen Menschen in fast 100 Ländern mit den Zahlungen erreicht werden. Die Stiftung arbeitet seit einem Jahr intensiv an ihrer zweiten gesetzlichen Aufgabe: der Förderung internationaler Projekte für Völkerverständigung und der Stärkung der Menschenrechte. Dazu gehört zum Beispiel auch die Befragung von italienischen Militärinternierten als Zeitzeugen.
Kann man nicht Mittel des Zukunftsfonds umwidmen und so die Ansprüche italienischer Zwangsarbeiter erfüllen?
salm: Das ist ausgeschlossen. Denn es würde den Intentionen und dem gesetzlichen Auftrag des Zukunftsfonds nicht entsprechen.
Mit dem Vorstandsvorsitzenden der Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« sprach Christian Böhme.