von Hans-Ulrich Dillmann
Die Nachbeben der militärischen Auseinandersetzungen zwischen Israel auf der einen und der Hamas und Hisbollah auf der anderen Seite sind auch in Lateinamerika zu spüren. In der Berichterstattung der brasilianischen Medien dominiert die Abbildung von »sterbenden libanesischen Kindern«, klagt der geschäftsführende Direktor der Confederação Israelita do Brasil (CONIB), der Israelitischen Konföderation Brasiliens, Luiz César Steinecke. »Wir haben derzeit einen schweren Stand in Brasilien.« In der Presse werde immer wieder das Leiden der libanesischen Bevölkerung ausführlich geschildert. Die Katjuscha- und Kassamraketenangriffe auf die israelische Zivilbevölkerung würden jedoch mit Schweigen übergangen.
Vor allem die der Regierung von Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva nahe- stehenden Zeitungen »berichten einseitig«, empört sich Steinecke. In einigen Großstädten seien als Folge des Krieges »antisemitische Schmierereien« aufgetaucht. Aber die rund 130.000 in Brasilien lebenden Juden fühlten sich nicht bedroht. Die Gemeindezentren in São Paulo und Rio de Janeiro seien gut gesichert. Die CONIB habe auf Falschmeldungen und einseitige Berichterstattung mit eigenen Pressekonferenzen reagiert, um Gegenöffentlichkeit herzustellen. »Soweit wir konnten«, sagt der 48jährige CONIB-Verwaltungschef, »haben wir den Zeitungsredakteuren Gegenbeweise geliefert«.
Brasiliens Juden haben ihre Solidarität mit dem Staat Israel jetzt auch öffentlich demonstriert. Am Wochenende versammelten sich im Club Hebraica der jüdischen Gemeinde der 17-Millionen-Einwohner-Stadt São Paulo 3.000 der insgesamt 70.000 Juden, um ihre Solidarität mit dem Staat Israel zu zeigen. In Rio de Janeiro gab es Wachen vor der israelischen Botschaft. Und im brasilianischen Parlament erhoben jüdische Abgeordnete ihre Stimmen, als dort Mitglieder des Hauses gegen Israel Stellung bezogen.
Eine antisemitische Stimmung gebe es in Argentinien nicht, betont Claudio Avruj, der Generaldirektor der Delegación de Asociaciones Israelitas Argentinas (DAIA). Im Gegenteil zeige die argentinische Presse in ihren Kommentaren und ihrer Berichterstattung eher Verständnis für die Situation Israels und dessen Kampf gegen den Terrorismus. »Hier sind die Anschläge gegen die Israelische Botschaft 1992 und das Zentrum der Asociación Mutual Israelita Argentina (AMIA) 1994 nicht vergessen«, sagt Avruj. Bei dem schwersten Terroranschlag in der Geschichte des Landes kamen 85 Personen ums Leben, über 200 wurden verletzt. »Es steht zweifelsfrei fest, daß die Anschläge in Teheran geplant und von Hisbollah-Mitgliedern ausgeführt wurden«, betont der DAIA-Direktor. Dies habe in der Öffentlichkeit zu einigem Verständnis für die Reaktion Israels auf die Entführung der Soldaten geführt.
Die Dachorganisation der argentinischen Juden DAIA hat ein Komitee gebildet, um Solidaritätsaktionen mit Israel zu organisieren. Mit 300.000 Mitgliedern ist die jüdische Gemeinschaft Argentiniens die größte in Lateinamerika. Im Gemeindezentrum von Buenos Aires, dem Club Náutico Hacoaj, versammelten sich am Mittwoch, den 3. August, 7.000 Menschen, um »den Kampf Israels gegen den Hisbollah-Terrorismus zu unterstützen«. An einer Demonstration durch die Straßen der argentinischen Hauptstadt beteiligten sich nach Auskunft von Avruj 1.500 Personen.
Die ausgewogene Berichterstattung in der chilenischen Presse über den Libanon-
Israel-Konflikt lobt der amtierende Präsident der Comunidad Judía de Chile, der jüdischen Gemeinschaft in Chile, Marcos Levi. »Die Medien berichten über beide Seiten des Konfliktes«, sagt der 66jährige.
Bei einer Sitzung des chilenischen Parlaments hätten die Abgeordneten mehrheitlich beide Seiten zu einem Waffenstillstand aufgerufen. Es habe zwar Kritik an der Haltung Israels gegeben, aber auch Hisbollah und Hamas seien für ihre Aktionen verurteilt worden. »Das Parlament befürwortet den Einsatz von Friedenstruppen in Libanon«, referiert Levi die Beschlüsse des chilenischen Parlaments, in dem es einen jüdischen Abgeordneten gibt, der der oppositionellen Christdemokratischen Partei angehört. In diesen Tagen werden die Senatoren Chiles über eine entsprechende Friedens-Resolution beraten. »Auch dann werden wir anwesend sein und unsere Stimme für Israel erheben«, kündigte der Präsident der jüdischen Gemeinschaft Chiles an.
In der Hauptstadt Santiago de Chile, in der 90 Prozent der insgesamt 21.000 chilenischen Juden leben, hat es bereits mehrere Pro-Israel-Manifestationen gegeben. Mehr als 1.000 Personen zogen mit Transparenten und Israel-Fahnen durch die Innenstadt bis zur israelischen Botschaft. Und im Zentrum der Comunidad Israelita de Santiago hätten etwa 1.000 Gemeindemitglieder an einer Solidaritätskundgebung für Israel teilgenommen, auf der auch der israelische Botschafter im Land gesprochen habe, sagte Marcos Levi.