Herr Stein, welche Rolle spielt Israels neuer Außenminister Lieberman in der öffentlichen Wahrnehmung des Landes?
stein: Er hat seinen eigenen Stil und versteckt sich nicht, wie er selbst sagt, hinter diplomatischen Floskeln. Auch wenn Lieberman nicht »everybodys darling« ist, sollte man ihn daran messen, welche Politik er vertritt. Wenn man mit der nicht einverstanden ist, kann man einen kritischen Dialog führen. Man sollte über Ideen und Gedanken diskutieren, nicht über Personen.
Aber mehr als drei Wochen nach Amtsübernahme wirkt die von der israelischen Regierung angekündigte neue Ausrichtung der Außen- und Sicherheitspolitik noch diffus.
stein: Wie der Administration in Washington sollte man auch der in Jerusalem etwas Zeit lassen. Israels Regierung ist der Auffassung, dass es nicht so weitergehen kann wie bisher. Ich denke, dass man mit den Palästinensern verhandeln und gleichzeitig mit den Gesprächen über die Bildung von wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Strukturen fortfahren sollte. Aber für Israel steht die nukleare Bedrohung durch den Iran derzeit ganz klar im Vordergrund. Noch im Laufe des Mai werden US-Präsident Barack Obama und Israels Premier Benjamin Netanjahu Gespräche darüber führen, wie mit dieser Gefahr umgegangen werden sollte.
Kann die atomare Aufrüstung Irans überhaupt noch verhindert werden?
stein: Bislang hat das die internationale Ge-
meinschaft nicht ernsthaft versucht. Wir brauchen eine entschlossene und geschlossene Front, die Teheran entgegentritt. Noch fehlen zum Beispiel Russland und China als wichtige Großmächte. Israel ist weiterhin der Auffassung, dass der diplomatisch-wirtschaftliche Weg der richtige ist, um den Iran von seinem Kurs abzubringen. Darüber hinaus sollen alle Optionen auf dem Tisch bleiben.
Wie beurteilen Sie Deutschlands Rolle?
stein: Man kann sich nicht einerseits mit Israel bei der Einschätzung der Bedrohung einig sein, andererseits aber im Iran gute Geschäfte machen. Wenn die Bundesrepublik es ernst meint – und davon bin ich überzeugt –, muss sie bereit sein, Opfer zu bringen. Das heißt, härtere Sanktionen und damit deutlich weniger Handel.
Mit dem ehemaligen israelischen Botschafter in Deutschland sprach Detlef David Kauschke.