von Elke Wittich
Der 9. November ist nicht nur der Tag, an dem der zerstörten Synagogen gedacht wird. In manchen Städten mischt sich an diesem Tag auch Freude in die Trauer, weil der 9. November auch für die Einweihung neuer Synagogen steht. Zu den ersten Gemeinden, die dieses Datum auswählten, um ihr Gotteshaus einzuweihen, gehörte Darmstadt.
Die Jüdische Gemeinde Darmstadt gedenkt in diesem Jahr am 9. November nicht nur ihrer vor 70 Jahren zerstörten Synagoge, sondern feiert auch das 20-jährige Bestehen ihres Gotteshauses. »Das Datum für die Einweihung haben wir damals bewusst gewählt«, sagt Moritz Neumann, vor 20 Jahren bereits im Vorstand und heute Vorsitzender der jüdischen Gemeinde. 50 Jahre nach der Reichspogromnacht, habe man deutlich machen wollen, »dass der 9. November 1938 kein finaler Punkt war und dass es im Judentum immer wieder auch eine Zukunft gibt«.
Der Entschluss der mit 120 Mitgliedern kleinen hessischen Gemeinde, eine neue Synagoge zu bauen, war bereits etwas Besonderes gewesen. Die wenigen neuen Gotteshäuser, die nach dem Krieg in Hessen gebaut wurden, waren klein, unauffällig und eher versteckt gelegen. Der Plan für den Neubau sah ein herausstechendes Bauwerk mit bunten Glasfenstern vor.
Der Neubau sollte »vor der Öffentlichkeit erklären, dass wir bleiben möchten«. Ein Passus in der Gemeindesatzung, in der es um die Verpflichtung ging, ausreisewillige Mitglieder zu unterstützen, sei 1986 im Zuge der Synagogen-Planung gestrichen worden, erklärt Neumann.
Damit mussten die Darmstädter viel Kritik einstecken. Vor allem von jüdischer Seite: »Man warf uns vor, wir würden mit der Einweihung unserer Synagoge den Gedenktag verwässern«, sagt Neumann, »mittlerweile ist man unserem Beispiel und unserer Argumentation allerdings schon mehrfach gefolgt.« Dresden 2001, München 2006 und jetzt Lörrach entschieden sich ebenfalls, am 9. November neue jüdische Gotteshäuser zu eröffnen.
Ein weiterer Kritikpunkt, der 1988 besonders von großen Gemeinden geäußert wurde, waren die Zweifel daran, ob die kleine Gemeinde ihre Synagoge werde unterhalten können. Die wurden allerdings bereits ein Jahr später zerstreut, als der Fall der Berliner Mauer das Ende der Sowjetunion und den Beginn der Zuwanderung markierten.
Mittlerweile hat die Darmstädter Gemeinde mehr als 700 Mitglieder. Und bald auch einen Ort, an dem sie am 9. November ihrer zerstörten Synagoge gedenken kann: Bei Ausschachtungsarbeiten wurden die Fundamente des liberalen Gotteshauses gefunden, die derzeit konserviert werden. Im Frühjahr wird die Gedenkstätte fertiggestellt sein. 50 Juden, die vor den Nazis aus Darmstadt fliehen mussten, werden zu den Ersten gehören, die diese Fundamente zu Gesicht bekommen. Sie wurden von der Stadt zum 70. Jahrestag der Synagogenzerstörung eingeladen.