Herr Levy, bitte helfen Sie uns. Was ist Ihr neuer Film »Mein Führer«, der jetzt in den Kinos läuft? Eine Komödie, eine Farce oder eine Tragödie?
levy: Ich helfe Ihnen gerne: Er ist alles drei. Eine schmerzliche Komödie, eine ernsthafte Farce, eine komische Tragödie. Das Thema verlangt nach beidem, Lachen und Weinen.
Es gibt tief traurige Szenen. Zum Schluss stirbt sogar der Jude Adolf Grünbaum, niedergeschossen von SS-Leuten. Was ist daran komisch?
levy: Daran ist gar nichts komisch. Aber Grünbaum stirbt als Held, den man liebt. Er lässt immerhin als Adolf Hitler das deutsche Volk noch rufen »Heil mich selbst«. Das hat doch was Komisches, oder?
Was finden Sie persönlich lustig an Ihrem Film?
levy: Ganz vieles. Es gibt Dutzende Stellen, über die ich lache. Ich will Ihnen die Liste ersparen. Falls Sie mit Ihrer Fragerei darauf abzielen, dass der Film nicht lustig sein soll, sollten Sie mal ins Kino gehen und die Menschen lachen hören.
Hauptdarsteller Helge Schneider, der den Hitler spielt, findet »Mein Führer« gar nicht mehr komisch, nachdem der Film von Ihnen neu geschnitten wurde.
levy: Das ist doch Unsinn. Erstens ist er von mir nicht neu geschnitten worden, zweitens hat Helge den Film noch gar nicht fertig gesehen, und drittens muss Helge den Film nicht lustig finden. Er hat Hitler gut gespielt, das reicht.
Dem Testpublikum hat Ihre erste Filmfassung nicht gefallen. Warum nicht?
levy: Auch das stimmt nicht. Das Testpublikum hat ganz toll auf den Film reagiert. Aber mit der Klammer des uralten Hitlers hatten sie ein echtes Problem. Zu Recht. Sie hatten das Gefühl, der alte Nazi könnte die Stimme des Films sein. Zudem wollte ich nicht, dass Hitler in meinem Film das letzte Wort hat. Dafür sind Testvorführungen da, um einen Film im Arbeitsprozess zu überprüfen.
Sie zeigen Hitler weniger als Witzfigur denn als misshandeltes, einsames, trauriges Weichei. Soll der Zuschauer mit ihm Mitleid haben?
levy: Nein, natürlich nicht. Hitler wird durchleuchtet, klein gehackt und von Blondi bestiegen. Wer da Mitleid hat, ist selber schuld. Wenn man jedoch als Zuschauer eine Art empathischer Nähe zu ihm entwickelt, dann dient das einer Erkenntnis. Hitler war ein Mensch, wie die anderen Nazis auch und wie die Menschen, die ihm gefolgt sind und die Juden vergast haben. Wir müssen uns auch für die psychologischen Gründe dieser Verbrecher interessieren, auch wenn uns das schwerfällt.
Läuft man so nicht Gefahr, den deutschen Diktator zu verharmlosen, ja Sympathien für ihn zu entwickeln?
levy: Wie soll man Adolf Hitler verharmlosen?! Mein Gott, bei allem, was wir über ihn wissen! Das sind doch nur Ängste und Bedenken, andere Menschen – natürlich nicht man selbst – könnten alles falsch verstehen, was sich nicht mit herkömmlichen Mitteln dem Nationalsozialismus nähert. Warum sollte ich als Jude und Kind einer Flüchtlingsfamilie, der einen großen Teil seiner Familie im Holocaust verloren hat, einen Film machen, der verharmlost? Lachen über Hitler, vielleicht sogar etwas über die Systematik dieser Zeit zu erkennen, hat nichts mit entschuldigen oder verharmlosen zu tun. Aber vielleicht braucht es Mut, den Führer als erbärmliches Würstchen zu akzeptieren.
Die Aufmerksamkeit für Ihren neuen Film ist enorm.Woran liegt das?
levy: Es ist die erste deutsche Komödie über die Nazis, sie riskiert einen neuen Blick, sie schafft neue Bilder, sie lässt sich nicht in eine vorsortierte Schublade einordnen, und sie begegnet einem unmenschlichen System mit menschlichem Interesse. Das scheint die Medien zu beschäftigen. Wenn dann einer der Hauptdarsteller, der Hitlerdarsteller, sich auch noch kritisch dazu äußert, ist dem medialen Zirkus Tür und Tor geöffnet. Ich finde das nicht so berauschend. Ich habe mit allem, was ich kann einen persönlichen Film gedreht und wünsche mir, dass die Menschen den sehen und darüber reden. Ich glaube, dass eine Debatte um dieses Thema sehr fruchtbar ist.
Sind Sie als jüdischer Regisseur für die nicht jüdischen Deutschen ein willkommener Tabubrecher?
levy: Ja, das kann sein. Mal sehen, wie lange ich das mitmache. Noch fühle ich mich respektiert in diesem Land. Würde ich das nicht mehr fühlen, müsste ich mir eine andere (künstlerische) Heimat suchen.
Rafael Seligmann wirft Ihnen vor, ein Musterjude zu sein. Trifft Sie das?
levy: Ach Quatsch. Menschen reden viel wenn der Tag lang ist. Sein Buch »Der Musterjude« mag ich gerne, er soll es lieber mal vernünftig verfilmen, anstatt Interviews zu geben.
Wer Ihren Film sieht, könnte sogar über die Schoa lachen. Ist da nicht eine Grenze überschritten?
levy: Wer über die Schoa lacht, ist krank. In meinem Film wird keine Sekunde über die Opfer gelacht. Der Humor zielt auf die Nazis und trifft ins Schwarze. Seien Sie nicht ängstlich. Man darf eine Komödie über die Zeit machen. Lachen und Weinen gehören zusammen.
Das Gespräch führte Christian Böhme.