Schoschana Rabinovici

Wie im Film

von Miryam GÜmbel

Auch in den Münchner Kinos ist der Film Ghetto jetzt angelaufen. Er wurde im vergangenen Jahr im ehemaligen Ghetto Wilna gedreht. Der Regisseur Audrius Juzenas hat dabei das gleichnamige Drama des israelischen Dramatikers Joshua Sobol adaptiert.
Der Film basiert auf wahren Begebenheiten, die sich in den Jahren 1942/43 im Ghetto von Wilna während der deutschen Okkupation zugetragen haben. Das Bayerische Staatsschauspiel, das Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde und der Stardust-Filmverleih gaben dem Münchner Publikum im Theater im Haus der Kunst vor der eigentlichen Premiere des Films nicht nur die Gelegenheit zu einer Voraufführung, sondern es war auch eine Zeitzeugin eingeladen: Schoschana Rabinovici. Sie hat von 1937 bis 1943 in Wilna gelebt und war seit September 1941 selbst eingesperrt im dortigen Ghetto. Rabinovici führte in die Geschichte und in den Film ein, in dessen Mittelpunkt eine Sängerin und eine Theatertruppe stehen, deren Kunst sie zunächst am Leben erhält. Nach der Aufführung war Schoschana Rabinovici zu einem Gespräch mit den Besuchern bereit.
Die Zeitzeugin fand den Film gut, »auch wenn sicher nicht alles so geschehen ist«. So habe Gens, der Chef der jüdischen Ghetto-Polizei, nicht im Theater gearbeitet. Seine Person allerdings ist real, ebenso wie die von Weißkopf. Das gelte auch für Kittel, den 22jährigen unberechenbaren Kommandanten des Ghettos, in dessen Gestalt allerdings noch einige andere Personen verwoben worden seien.
Kittel hatte nach seiner Ankunft im Wilnaer Ghetto 1943 ein Theater gründen lassen. Das geschilderte Konzert- und Theaterleben, das die Bewohner trotz aller be- drohenden Gegenwart begeisterte, gab es tatsächlich. Die Zeitzeugin selbst sang im Kinderchor. Auch eine der beeindruckendsten Szenen am Filmende, als ein Schauspielerpaar sein Leben einsetzt, um Versteckte unentdeckt zu lassen, entspreche dem realen Alltag dieser Endzeit des Ghettos, wenn auch nicht in dieser herausgehoben inszenierten Form, sagte Rabinovici.
Auch die Szene, in der es immer wieder ungewiß war, ob Kittel aus einer Laune heraus zur Klarinette oder zur Maschinenpistole greift, entsprach seinem Charakter. Der reale Kittel bot den Arbeitern im Ghetto auch Zigaretten an. Nahmen sie diese und auch das Angebot, Feuer zu geben, so habe Kittel dieses Feuer gegeben und denjenigen erschossen.
Realistisch seien auch die Szenen am Tor beim »Menschenschmuggel« mit Arbeits- und Passierscheinen. Wer erwischt wurde, wurde erschossen.
Die heute 74jährige Schoschana Rabinovici lebt als Psychotherapeutin in Wien. In ihren 1994 im Alibaba-Verlag erschienenen Erinnerungen Dank meiner Mutter beschreibt sie auch die Jahre im Wilnaer Ghetto. Dieses Buch kann denjenigen Filmbesuchern, die Schoschana Rabinovicis Vortrag nicht miterlebten, eine gute Ergänzung zum Film sein. Künstlerische Zuspitzung in der Dramatik und reale Erinnerung können so das Bild der Tragik und der Verbrechen dieser Zeit bewußt machen.
Bemerkenswert fand Schoschana Rabinovici übrigens auch die Tatsache, daß die Filmproduktion von litauischer Seite mitgetragen wurde, auch wenn dort damit die Vergangenheit noch nicht wirklich aufgearbeitet worden sei.

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