Auch wenn man die Position des Linkspartei-Abgeordneten Wolfgang Gehrcke und seiner Koautoren Jutta von Freyberg und Harri Grünberg nicht teilt, wenn sie zeigen wollen, dass Antizionismus nicht Antisemitismus bedeuten müsse, so sollte man ihnen doch einen gewissen Respekt entgegenbringen. Gehrcke, der im vergangenen November zu den linken Nichtunterzeichnern der Bundestagsresolution gegen Antisemitismus gehörte, hält immerhin mutig seinen Kopf aus dem Fenster.
Respekt, wenngleich aus anderen Gründen, gebührt auch dem Freiburger Autor Tilman Tarach, der seinen Blick auf das gleiche Thema vorgelegt hat und sich dafür einen Kleinstverlag ausgesucht hat.
Weder Gehrcke und Kollegen noch Tarach bleiben bei dem Thema, das sie sich geben: die deutsche Linke. In beiden Büchern wird historisch weit ausholend und dabei hinter bereits vorliegenden Werken bleibend erst mal die Genese des Nahostkonflikts erklärt. Was deutsche Autoren antreibt, unbedingt einen Teil der Welt, in dem sie nicht leben, ordnen zu wollen, bleibt leider offen. Immerhin, Gehrcke und Kollegen bemühen sich, ihre Beweggründe mitzuteilen: Politische Motive sind es und »persönlich empfundene geschichtliche Verantwortung«. Gewiss, das kann man kritisieren, aber es ist doch einen Schritt weiter, als Tarach, in dessen Buch man vergeblich Hinweise zu seiner Motivation sucht.
Bei Gehrcke, Freyberg und Grünberg findet sich viel Selbstkritik zu antisemitischen Tendenzen in der Arbeiterbewegung. Es findet sich aber auch einiges, das sich wie Rechtfertigung liest – etwa wenn zu Stalins Hinwendung zu den arabischen Regimen notiert wird, dies hätte eine »innenpolitische Entsprechung« gefunden – gemeint sind offen antijüdische Prozesse, die in Todesurteilen endeten. Und es findet sich auch schlicht Falsches – etwa wenn eine antisemitisch gefärbte Verdammung des Begriffs »Kosmopolitismus« nur der »späten Stalinzeit« zugeschrieben wird, als habe die DDR nicht das noch in den 80er-Jahren als »reaktionäre Ideologie« gegeißelt.
Wenn Gehrcke und Kollegen ihr Buch als Beitrag dazu verstehen, »dass Kenntnis und Erkenntnis an die Stelle von Bekenntnissen tritt«, dann muss man ihnen leider attestieren, dass es wohl bestenfalls nur ein sehr früher erster Beitrag ist, dem bessere folgen müssen. Sonst bleibt die »notwendige Debatte«, die im Untertitel beschworen wird, auf dem Niveau, das man viel zu lange schon kennt.
Mit ihrer Ablehnung von »Bekenntnissen« könnten Gehrcke, Freyberg und Grünberg ihren publizistischen Widerpart Tarach gemeint haben. Der vertritt eine (vermutlich nicht nur dem Rezensenten) sympathischere Position, aber das ist es leider schon: Er hat nur ein Bekenntnis, ausreichend Belege führt er nicht an. Apologetische Sätze, was wann wie geschehen ist oder soll, prägen sein Werk, und um seinen analytischen Versuchen zu folgen, etwa beim Konstruieren einer Parallele zwischen Jassir Arafat und Joschka Fischer, muss man schon zu sehr freundlicher Lektüre neigen. Sonst bleibt Kopfschütteln.
Beide Bücher sind, leider, primär für bereits Überzeugte geschrieben. »Preaching to the converted« heißt das entsprechend verächtlich im Englischen. Allerdings muss man im Vergleich (wenn auch ungern) zugeben: Gehrcke, Freyberg und Grünberg haben, indem sie sich nicht (nur) in die Pose der alleswissenden Staatenlenker geworfen haben, sondern auch ihre Rolle und ihre persönlichen Motive reflektieren, mehr für die in der Tat wichtige Debatte getan als Tarach. Martin Krauß
Wolfgang Gehrcke, Jutta von Freyberg, Harri Grünberg: Die deutsche Linke, der Zionismus und der Nahostkonflikt. Eine notwendige Debatte, PapyRossa, Köln 2009, 270 S., 16,90 €
Tilman Tarach: Heiliger Krieg, die »Protokolle der Weisen von Zion« und die Verlogenheit der sogenannten Linken im Nahostkonflikt, Edition Telok, Freiburg 2009, 300 S., 19,80 €