von Sabine Brandes
Um es mit Shakespeare zu sagen: Wenig ist faul im Staate Dänemark, und eigentlich auch gar nicht so viel in Israel. Das nordeuropäische Land rangiert auf Platz vier der internationalen Schmiergeld-Hitparade, der jüdische Staat ist im vergangenen Jahr um sechs Plätze auf Nummer 34 abgerutscht. Damit befindet er sich in unmit-
telbarer Nachbarschaft zu Katar, Bahrain, Oman und Botswana.
Anführer der 163 Länder sind Finnland, Island und Neuseeland, als korrupteste gelten der Irak, Myanmar und Haiti. Die Skala wird jedes Jahr von der nicht-staatlichen Organisation »Transparency International« aufgestellt, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, Korruption weltweit aufzudecken und zu bekämpfen. Der Korruptions-Wahrnehmungs-Index (CPI) listet Länder nach dem Grad auf, in dem dort Bestechlichkeit und sonstiger Staatsbetrug bei Amtsträgern und Politikern wahrgenommen wird. Er setzt sich aus verschiedenen Umfragen und Untersuchungen von neun unabhängigen Institutionen zusammen.
Vor zehn Jahren konnte die Nation noch auf einen Platz 15 stolz sein, im Vergleich dazu bewegt sich auch Deutschland relativ konstant um diesen Platz herum. Sind fast 20 Plätze runter kein Grund zu großer Sorge? Susanne Tam, Leiterin von »Transparency International Israel«, meint Nein. »Früher haben weniger Länder am Ranking teilgenommen, dadurch relativiert sich alles. Die Entwicklung sollte eher positiv gesehen werden, denn wir wissen heute durch mehr Transparenz und die Aufmerksamkeit der Medien, wie korrupt der Staat wirklich ist. Vor 20 Jahren noch hat niemand darüber gesprochen.« Tam weiß, dass Israel den Vergleich zu anderen demokratischen Nationen nicht scheuen muss. »Als internationale Organisation wissen wir, was anderswo vor sich geht, und so schlecht sieht es hier gar nicht aus.« Sie macht jedoch auch klar, dass bislang nicht genug gegen Staatsbetrug getan wurde. »Es gibt in Israel Systeme, die Korruption fördern. Auf der einen Seite löst man mit diesem Mangel an Distanz manchmal Probleme unbürokratisch, was angenehm ist, auf der anderen Seite fördert es den Filz – und das ist gefährlich.«
Skandale sind in Israel nicht neu: Nach nahezu 30 Jahren an der Macht verlor die Arbeitspartei 1977 die Wahlen, zum einen wegen des blutigen Jom-Kippur-Krieges, zum anderen wegen des Verdachts, dass der Filz in drei Jahrzehnten schier undurchdringlich geworden war. Und auch der Likud geriet ins Visier. 1992 verlor die Partei zahllose Stimmen, weil auch über ihr der Dunst von Bestechung und Bestechlichkeit hing. Gegen fast alle letzten Premierminister – von Benjamin Netanjahu über Ehud Barak bis zu Ariel Scharon – ist in Sachen Korruption ermittelt worden. Wobei jedoch keine der Untersuchungen tatsächlich ein Vergehen der Staatsmänner nachweisen konnte.
Und nun ist auch der amtierende Regierungschef ins Zwielicht geraten. Es geht um die Privatisierung der Bank Leumi vor zwei Jahren. Als Finanzminister soll Olmert versucht haben, das Privatisierungsprozedere der Bank zu beeinflussen. Sein Büro ließ erklären, der Premier sei stolz auf die Privatisierung, und alles ist seinerzeit mit rechten Dingen zugegangen. Eine strafrechtliche Untersuchung wegen Amtsmissbrauch jedoch ist eingeleitet.
Die letzten peinlichen wie erschreckenden Details sind erst vor wenigen Wochen ans Licht gekommen. Der Chef der Steuerbehörde, sein Vorgänger und die Büroleiterin des Premierministers sind allesamt unter Hausarrest gestellt wegen des Verdachts der Bestechung oder Bestechlichkeit. Die öffentliche Reaktion auf die jüngsten Skandale macht es deutlich: »Der Staatsbetrug in Israel hat neue Höhen erreicht.« Niemals in der Geschichte ist die Regierung so schlecht bewertet worden. Gerade einmal 22 Prozent beurteilen die Arbeit des Regierungschefs als gut.
»Doch«, sagt die Leiterin des hiesigen Büros von »Transparency International« zusammenfassend, »Israel ist auf dem richtigen Weg. Die Öffentlichkeit hat das Problem der Korruption erkannt und weiß, dass etwas dagegen getan werden muss. Bewusstsein ist der erste Schritt zur Besserung.« Friedensaktivist Uri Avnery glaubt ebenfalls an die Demokratie seines Landes. Er schreibt: »Bedenkt man, woher die meisten Einwohner kamen – aus dem Russland der Zaren oder Kommunisten, aus dem Polen von Pilsudsky und seinen Erben, aus Marokko, Syrien dem Iran oder Irak (...) - so ist diese Demokratie ein Wunder.«