Kürzlich war ich im Kino und habe Wickie und die starken Männer gesehen. Einer dieser starken Männer heißt Halvar und ist der Vater von Wickie. Er sieht aus wie ein chassidischer Rebbe. Während des ganzen Films habe ich krampfhaft überlegt, an wen mich Halvar erinnert. Auf dem Nachhauseweg ist es mir dann eingefallen: an Herrn Jelinek.
Herrn Jelinek kenne ich seit meiner Kindheit. Er saß in der Synagoge immer vor mir und hatte einen noch längeren Bart als der Rabbiner. Das machte auf mich großen Eindruck. Überhaupt standen für mich damals Bartlänge und Wissen im engsten Verhältnis.
Herr Jelinek saß beim Kiddusch stets rechts vom Rabbiner. Er strich sich immer langsam durch den Bart, während der Rabbiner sprach, und nickte andächtig. Dieser Bart! Doch nicht nur ich war wie gelähmt, sondern alle Anwesenden. Dieser Mann war einfach eine Erscheinung.
Herr Jelinek, so habe ich später erfahren, war aber gar kein Jude. Und noch schlimmer: Er fuhr mit dem Auto in die Synagoge. Den Siddur hatte er immer auf der gleichen Seite aufgeschlagen. Wahrscheinlich hieß er auch nicht Jelinek, sondern Müller oder Riendlisbach.
Seine wahre Identität bleibt verborgen. Das erinnert mich aber weiter an den Film Der talentierte Mr. Ripley. Auch dort nimmt jemand eine andere Identität an, die er bis zur Perfektion treibt. Herr Richter steht der Filmfigur in nichts nach. Herr Richter ist ebenfalls Mitglied unserer Gemeinde. Er ist mir eigentlich nicht unsympathisch, aber leider ahmt er die ganze Zeit unseren Vorbeter nach. Das heißt, er meint, er könne noch schöner singen als der da vorn am Pult. Leider stimmt das nicht. Und leider sitze ich direkt neben Herrn Richter. Sobald der Vorbeter nur ein bisschen zu singen beginnt, steigt Herr Richter mit ein, und zwar aus voller und falscher Kehle. Ich sitze schon seit zehn Jahren neben ihm. Irgendwann, da bin ich sicher, werde ich aus der Haut fahren und explodieren.
Kennen Sie den Film Falling Down – Ein ganz normaler Tag? Da dreht auch ein Kerl durch. Hoffmann, ebenfalls Gemeindemitglied, hat auch jeden Schabbat seine Krise. Herr Hoffmann ist Mitte 50, kleiner Bauch, große Glatze und große Klappe. Immer ist er am Stänkern. Mal würde der Rabbiner zu lange reden, mal wären die Kinder draußen zu laut. Hoffmann ist Buchhalter. Ich habe ihn noch nie lachen sehen. Worüber er eigentlich immerzu lachen müsste, ist seine Frau. Denn die ist das pure Gegenteil von ihm. Nachblondiert, aber immer noch ein heißer Feger: sinnliche Lippen, tolle Brüste, hübsches Gesicht. Auch sie erinnert mich an einen Film, aber das lassen wir hier. Frau Hoffmann hat eine Schwester, Madame Boulanger, mit einem Franzosen verheiratet. Madame Boulanger sieht aus wie Helga, die Frau von Hägar dem Schrecklichen.
Hägar der Schreckliche soll übrigens nächstes Jahr in die Kinos kommen. Dann sind bald alle Comicstrips verfilmt worden. Die Ideen gehen langsam aus. Wenn nichts mehr läuft, schlage ich vor, dass man unseren Schabbatgottesdienst verfilmt: Jelinek, Richter, Hoffmann, die Nachblondierte und Helga. Das würde einen Knüller geben! Beni Frenkel
kiddusch