Wickelkinder und Erstklässler
Hannover: Liberale Gemeinde eröffnet Kita
von Ingrid Hilgers
Für die rund 200 Mitglieder der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover war es ein bewegender Moment. Nachdem der Rabbiner Gabor Lengyel die Kinder auf Hebräisch und Deutsch gesegnet hatte, brachte er die Mesusa an der Außentür der Kindertagesstätte an. Anschließend flogen mehr als 100 blaue Luftballons mit weißen Davidsternen in den Himmel. Damit weihte am vergangenen Dienstag erstmals eine liberale jüdische Gemeinde in Deutschland einen Kindergarten ein. Die im Hannoverschen Stadtteil Leinhausen gelegene Kita »Tamar«, Palme, ist für Kinder aller Religionen geöffnet. 17 Kinder im Alter von 18 Monaten bis sechs Jahren werden dort künftig spielen und nach den Regeln des jüdischen Glaubens leben können.
Die Vorsitzende der liberalen Gemeinde, Ingrid Wettberg, verteilte an die Kindergartenkinder kleine Schultüten mit Süßigkeiten und einer jeweils selbst ge- nähten kleinen Kopfbedeckung. In einer kurzen Ansprache betonte sie, dass ihr eine gute Nachbarschaft und ein friedliches Miteinander mit den Anwohnern und den Gemeinden wichtig seien. Sie wies darauf hin, dass die Fertigstellung der 197 Quadratmeter großen Kita der erste Bauabschnitt eines großen Gemeindehauses sei. Ein Zentrum mit einer Synagoge, einem Kinder- und Jugendzentrum, einer Kita, einem Kultur- und Bildungszentrum, einer Bibliothek sowie einer Sozial- und Migrationsberatungsstelle. Von diesem Haus sollten künftig Impulse für die Entwicklung des liberalen Judentums ausgehen, betonte Wettberg.
Den insgesamt 3.600 Quadratmeter großen Gebäudekomplex hat die liberale Gemeinde von der evangelischen Gustav-Adolf-Kirche erworben. Mitte September wird der Kaufvertrag offiziell unterzeichnet.
Lediglich sechs Wochen dauerten die Umbaumaßnahmen für die Kindertagesstätte. Unzählige freiwillige Helfer aus der liberalen Gemeinde unterstützen die Maßnahmen. Mauern wurden eingerissen, Wände neu gestrichen und Regale eingebaut. Alle Räume wirken hell und freundlich. Die Spielzimmer sind mit neuen Teppichböden ausgelegt und neuem Spiel- zeug eingerichtet. In einem kleinen Garten wurde für die Kinder ein Fertigrasen ausgelegt und ein Klettergerüst aufgestellt. In der Küche wird eine Köchin für die Kinder koscher kochen. Zwei fest angestellte Erzieherinnen sollen die Kinder nach jüdischem Glauben erziehen.
Hier werden die Kinder künftig Jom Kippur feiern und im Garten zu Sukkot Laubhütten bauen. Kitaleiterin Darja Bartsch betonte, dass es für die Kinder eine musikalische Früherziehung geben werde und ein Klavier bereits vorhanden sei. »Wir wollen die Kinder zu selbstbewussten jüdischen Menschen mit Rückgrat erziehen«, rief die Kitaleiterin den Anwesenden zu. Die Festgemeinschaft dankte ihr mit einem freundlichen Applaus. Die Musikgruppe Mizwa unter der Leitung von Alexander Kostowetzky unterhielt während der Feierstunde die Anwesenden mit jüdischer Musik.