Der Wahlsieg von Angela Merkel wurde in Jerusalem mit überschwänglicher Begeisterung aufgenommen. Außenminister Avigdor Lieberman lobte Merkels »Sensibilität für die Vergangenheit und Treue gegenüber den besonderen Beziehungen« zwischen Deutschland und Israel. Sie habe in ihrer ersten Amtszeit eine »tiefe Freundschaft« gegenüber Israel gezeigt. »Es gibt einen breiten Konsens darüber, dass die guten Zeiten in den deutsch-israelischen Beziehungen nun weitergehen oder sogar noch besser werden«, sagte Sprecher Jossi Levi. Auch die Medien haben auf den Wahlsieg von Angela Merkel positiv reagiert. »Angie, eine Freundin Israels«, schrieb die Tageszeitung Yedioth Achronot und meinte, Merkels Wahl sei »gut für Israel«. Haaretz erinnerte daran, dass sich die deutsch-israelischen Beziehungen verbessert und vertieft hätten.
Doch die Freude über Merkels Wahlsieg wird durch die Unsicherheit darüber getrübt, welchen Kurs der mutmaßliche Außenminister Guido Westerwelle steuern wird. Westerwelle ist in Israel noch weitgehend unbekannt. Die Moderatoren bemühen sich derzeit, seinen Namen richtig auszusprechen. Sie machen das Publikum mit ihm bekannt, indem sie ihn als »bunten« Politiker schildern, der mit seinem Guidomobil und gelbem Schal den eher drögen Wahlkampf belebt habe und kein Geheimnis aus seiner Homosexualität mache.
Aber Jerusalemer Diplomaten sehen der Politik des 47-Jährigen mit Skepsis entgegen. Die Jerusalem Post berichtete, dass die Aussicht auf einen Außenminister Westerwelle in Jerusalem »Stirnrunzeln« verursacht habe. Beobachter weisen darauf hin, dass die deutsche Außenpolitik nach der Afghanistan-Erfahrung zurückhaltender werden könnte, was sich auf das bisherige Engagement Merkels für Israel negativ auswirken würde. Die FDP sei als relativ junge Partei gegenüber Israel weniger verpflichtet als die Sozialdemokratie. Diplomaten in Jerusalem erwarten von Westerwelle kritischere Töne als in den vergangenen vier Jahren. Deutschlandkennern ist Westerwelle wegen einiger Zitate in unguter Erinnerung. Kritik an Israel müsse erlaubt sein, sagte er vor sieben Jahren. Der künftige Israel-Kurs der neuen Koalition wird dadurch bestimmt werden, ob sich der FDP-Chef gegenüber Merkel durchsetzen kann. Sollte er künftig den Ton angeben, werde Israel mit weniger Verständnis für seine Sieldungspolitik rechnen können, meint der Deutschlandexperte Moshe Zimmermann. Auch gegenüber einem militärischen Einsatz zur Verhinderung der iranischen Atombombe könnte Westerwelle weniger tolerant sein als sein Vorgänger. Es kommt darauf an, wie selbstständig er seine Außenpolitik formulieren kann, sagt Zimmermann. Pierre Heumann
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