von Tobias Kaufmann
Manchmal passen Werbeslogans. »Wir vermitteln Werte« lautet der Satz, mit dem sich das Immobilienunternehmen Winters & Hirsch beschreibt. Wer die Firmenzentrale am eleganten Walter-Benjamin-Platz im Westen Berlins betritt, soll auf den ersten Blick merken, daß hier kein Ramsch angeboten wird. Doch die Fahnenstangen in der Ecke des Konferenzraums von Winters & Hirsch zeigen, daß »Werte« in diesem Unternehmen sich nicht nur aufs Finanzielle beziehen. Schwarz-Rot-Gold, Stars and Stripes und Israels blau-weiße Fahne prägen den Raum mehr als das glänzende, dunkle Holz des großen Konferenztischs. »Das ist eine Verbeugung vor unseren Kunden«, sagt Philipp C. Tabert, geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens. Gemeint sind damit vor allem die ehemals deutschen jüdischen Familien, die heute in den USA und Israel leben – seit Anfang der neunziger Jahre hat die Firma rund 600 Restitutionsfälle betreut.
Der Geschäftsführer ist Anfang dreißig. Als die Wende kam, war er ein Teenager. Sein Vater Bruno Tabert hatte die Unternehmensberatung Winters & Hirsch von den jüdischen Eigentümern und Namensgebern gekauft, weil diese keine Erben hatten. Tabert verpflanzte Winters & Hirsch von Wolfsburg nach Berlin. Vermittelt von den alten Eigentümern trudelten plötzlich erste jüdische Erben ein, die auf der Suche nach kompetenten Partnern in Deutschland waren. Denn mit der Wende konnten sie Grundstücke und Immobilien auf dem Gebiet der Ex-DDR zurückerhalten, die im Dritten Reich enteignet oder unter Zwang verkauft worden waren. Für viele jüdische Familien eröffnete sich die Chance auf so etwas wie späte Gerechtigkeit – ausgerechnet deutsche Immobilienmakler sollten dabei helfen. Kein leichter Schritt. »Ein Kunde sagte mir offen: Wenn Sie zehn Jahre älter wären, hätte ich Sie nicht beauftragt«, erinnert sich Bruno Tabert. Die Arbeit mit diesem Kundenkreis war für ihn weit mehr als ein Geschäft, stand hinter jeder Immobilie doch das Schicksal einer Familie. »Ich habe diese Geschichten aufgesogen wie ein Schwamm«, sagt Philipp Tabert über die Gespräche, die er damals mitbekam. »Ein Kunde hatte als einzigen Ausweis seine Tätowierung auf dem Arm.«
Winters & Hirsch vermittelte Anwälte, sammelte Unterlagen, verhandelte mit Behörden und potentiellen Abnehmern der zurückgegebenen Immobilien. Die wenigsten Erben haben die Immobilien behalten. »Die Nähe zu den Objekten war natürlich nicht immer gegeben«, sagt Philipp Tabert. Nicht selten mußte die Firma finanziell in Vorleistung gehen, denn weit häufiger, als es das Stereotyp von den reichen Juden aus Übersee nahelegt, konnten die Erben das Geld aus einem Hausverkauf gut gebrauchen. Manch Verarmter wurde im Alter Millionär. Daß zuständige Beamte daraus falsche Schlüsse zogen, ärgert Bruno Tabert. »Mir fehlte, daß die Motive und Schicksale, die hinter den Geschichten stehen, auch denen klar sind, die damit umgehen.«
Etwa eine Viertelmillion Rückgabe-Anträge sind in Deutschland gestellt worden, 99 Prozent sind bearbeitet. Heute beschäftigt sich Winters & Hirsch kaum noch mit Restitutionen. Die meisten Immobilien der Erben sind inzwischen erfolgreich verkauft. Aber ein besonderer Umgang mit Menschen, da sind die Taberts sich sicher, ist eine Spezialität ihrer Firma geblieben. Manchmal passen Werbeslogans eben.