von Beatrice Maisch
Die ehrwürdige, mit dunklem Holz vertäfelte Alte Aula von 1712 ist fast bis zum letzten Platz gefüllt. Rund 250 Menschen erwarten Bundespräsident Horst Köhler. Der Rektor der Hochschule für Jüdische Studien (HfJS), Alfred Bodenheimer, hat Köhler bei seinem Besuch in der Hochschule am Mittwoch vergangener Woche zu einer Diskussion mit den Studenten eingeladen.
»Ich bin froh für unser ganzes Land, dass wir wieder eine solche Einrichtung in unserer Mitte haben«, würdigt Köhler die Hochschule und ihre Arbeit. Er beobachte, wie das Interesse am Judentum in Deutschland wächst, ein Interesse, das »über die Begeisterung für Klesmer-Musik hinausgeht«. Doch Köhler räumt auch ein, dass sich »die Träume von Unbefangenheit noch immer an einer Wirklichkeit stoßen, in der es offenen und verdeckten Antisemitismus gibt«. Dabei sieht Köhler in Bildung den »Schlüssel, um hoffnungsvoll in die Zukunft zu sehen«. Schließlich führe die Beschäftigung mit dem Judentum auch Deutsche zu ihren Wurzeln.
Anschließend haben die Studierenden das Wort. Rund 160 sind derzeit an der HfJS eingeschrieben, viele sind erschienen. Zwei von ihnen haben Fragen für ein Podiumsgespräch mit dem Bundespräsidenten vorbereitet. Wie denn der Staat bei der Dominanz der Naturwissenschaften von den Geisteswissenschaften profitieren könne, will Stephanie Appel wissen. »Wir brauchen beides«, sagt Köhler, um die Bedeutung der Geisteswissenschaften zu betonen: »Was hält denn eine Gesellschaft zusammen? Die Geisteswissenschaften, die Kultur!«
Die Rollen von Fragenden und Antwortenden sind zunächst klar verteilt, doch der Bundespräsident schert aus: »Wollen Sie Rabbiner werden?« fragt er den Studenten Vladislav Mitushenkov. Der junge Mann lacht und wiegelt ab: »Wer weiß, vielleicht, ich schließe gerade meine Jüdischen Studien ab.« Doch Köhler beharrt. Sein nachdrückliches »Ich wünsche mir das!« sorgt für Gelächter im Saal.
Bei den Studenten ist Köhlers Rede gut angekommen, von der Diskussion haben sie sich hingegen mehr erhofft. »Bei diesem Thema gibt es nur eine akzeptable Meinung«, meint Sylvia Jaworski, »für uns ist es ein bisschen ermüdend, dass sie immer so viel Raum einnimmt.« Ihr Kommilitone Frank Brüggemann stimmt zu. Er hätte sich gewünscht, dass Köhler über die deutschen Grenzen hinausgeht und sich zum Beispiel zu den iranischen Drohungen gegen Israel äußert. Jaworski und Brüggemann sind selbst keine Juden, wie zwei Drittel der Studierenden an der HfJS. Der deutsch-jüdische Gegensatz sei im Studienalltag kein Thema, ergänzt Florentine Lempp: »Wir wissen oft gar nicht, wer von uns Jude ist und wer nicht.« Die jungen Leute sind erfreut, dass auch der Bundespräsident nicht die Unterschiede, sondern das Miteinander betont hat. Für ihn ist etwa der Zuzug von Juden aus Osteuropa ein Signal, dass das Vertrauen der Juden in den deutschen Staat wächst. »Ich hätte mir diese Entwicklung nicht träumen lassen«, sagt Köhler. Mitushenkov nickt und erwidert: »Das ist schön.«