von Wladimir Struminski
Die Internationale Tourismusbörse (ITB) in Berlin: Jubel, Trubel, Reisefieber. Alles, was in der Welt des Fremdenverkehrs Rang und Namen hat, ist in diesen Tagen in der deutschen Hauptstadt. Eigentlich hätte auch Esterina Tartman dabei sein sollen. Schließlich wurde sie von Premier Ehud Olmert vor anderthalb Wochen als Israels neue Fremdenverkehrsministerin designiert. Nur wurde aus der Dienstreise nach Berlin nichts, endete doch Tartmans Karriere am Kabinettstisch, noch bevor sie begann. Die Ursache war keine plötzliche Erkrankung der 50-jährigen Abgeordneten der stramm rechten Israel-Beitenu-Partei. Auch scheiterte sie nicht an ihren antiarabischen Äußerungen, etwa an dem Spruch, die kürzlich erfolgte Ernennung des arabischen Ministers Raleb Madschadle bedeute einen »Todesstoß für den Zionismus«. Solche Verbalinjurien haben, wie es scheint, keinen Verantwortungsträger gestört. Dass Tartman nicht in die Regierungsmannschaft aufrücken durfte, hatte einen ganz anderen Grund: Sie hatte gelogen. Und zwar so dreist, dass es selbst den von ihren Politikern allerhand gewohnten Israelis zu bunt wurde.
Alles begann damit, dass der bisherige Chef des Tourismusressorts, Jitzchak Herzog (Arbeitspartei) zum neuen Sozialmi-
nister aufrücken durfte. Daraufhin trug Olmert das Reiseministerium Israel Beitenu an. Diese kommandierte Tartman ab. Noch vor der Vereidigung legten die Medien jedoch einen Skandal bloß. In ihrem Lebenslauf hatte sich Tartman zu Unrecht mit dem M.A.-Titel (Master) der Hebräischen Universität in Jerusalem geschmückt. Selbst ihren B.A. (Bachelor) hatte Tartman nicht, wie von ihr behauptet, an der hoch angesehenen Bar-Ilan-Universität, sondern an einem College erlangt. Zudem hatte sie nicht, wie angegeben, Finanzwirtschaft und Rechnungswesen studiert. Der bequeme Hinweis auf einen vermeintlichen technischen Fehler auf der Internetseite der Knesset und der Partei blieb Tartman versagt. Nur einen Tag vorher hatte sie ihre Amtseignung im Fernsehen höchstpersönlich mit den folgenden Worten begründet: »Ich habe meinen B.A. in den Fächern Rechnungswesen und Finanzen und meinen M.A. in Betriebswirtschaft gemacht.« Jetzt will die Staatsanwaltschaft sogar prüfen, ob die Hochstaplerin sich strafbar gemacht hat.
Das ist aber nicht alles. Wie sich herausstellte, steht Tartman auch im Verdacht des Versicherungsbetrugs. Vor zehn Jahren hatte sie sich nach einem schweren Verkehrsunfall als versehrt anerkennen lassen. Wegen einer 52-prozentigen Minderung der Erwerbsfähigkeit erkannte ihr die Versicherungsgesellschaft einen Entschädigungsbetrag von zweieinhalb Millionen Schekel zu – damals rund 750.000 Dollar. Wie es hieß, konnte sie nicht mehr als vier Stunden am Tag arbeiten. Dennoch absolvierte sie nur kurze Zeit später wieder ein volles Arbeitspensum. Das Geld gab sie der Versicherung indessen nicht zurück. Tartmans heutige Erklärung: Ihre Behinderung sei echt, sie habe bloß gelernt, damit zu leben. Dafür verdiene sie keinen Tadel, sondern Bewunderung. Ohnehin, fügte sie hinzu, sei die Arbeit in der Knesset mit ihrem Gesundheitszustand gut zu vereinbaren. Das ist überaus pikant: Zu den attestierten Unfallfolgen gehört nämlich auch Gedächtnisschwund.
Wie auch immer: Unter dem Druck der Öffentlichkeit musste die Gestrauchelte ihre Kandidatur fürs Ministeramt zurückziehen. An ihre Stelle trat der Fraktionskollege und ehemalige Vizechef der isra-
elischen Polizei, Jitzchak Aharonovitch. Dieser war wenigstens klug genug, seinen vollständigen Mangel an fachlicher Erfahrung zuzugeben und versprach lediglich, sich schnell einzuarbeiten.
Wenn’s denn ein Trost ist: Tartman ist nicht die Einzige, die ihren Bildungsweg verschönert hat. So hat sich der Fraktionsvorsitzende der Rentnerpartei, Mosche Scharoni, in seinem Lebenslauf als einen Absolventen der Universität Haifa bezeichnet. Das bedeutet normalerweise die Erlangung des B.A.-Grades, den Scharoni aber nicht hat. Das räumte der Senioren-Parlamentarier auch ein, beteuerte aber, mit dem Wort »Absolvent« keineswegs einen erfolgreichen Studienabschluss angedeutet zu haben. Nur einen Tag nach Tartmans Abschuss korrigierte auch Einwan-
derungsminister Ze’ev Boim seine offizielle Biografie. Statt, wie bisher von einem M.A. zu sprechen, weist die Internetseite der Knesset nur noch »Studien für den M.A.-Grad« aus.