von Jonathan Scheiner
Es gibt jiddische Lieder, die kann man einfach nicht mehr hören, so abgenudelt sind sie. Es sei denn, »Jewdyssee« bringt sie jung, frisch und frech auf die Bühne, unterlegt mit Beats, zu denen man abtanzen kann. Dann kriegen sogar Oldies wie Papirosn und A jiddische Mame plötzlich Groove.
Jewdyssee, das sind die Popsängerin Maya Saban und die Künstlermanagerin Elina Tilipman. Die Idee zu dem Projekt entstand 2007 bei Daiquiri und Sushi auf einer Party. Maya Saban hatte zu diesem Zeitpunkt zwei erfolgreiche Solo-Alben aufgenommen, die bei einem der großen Label erschienen waren. Aber, sagt sie: »Ich habe mich in den Strukturen bei ei-nem Major-Label nicht mehr wohl gefühlt, weil ich nicht diktiert bekommen wollte, wann das nächste Album fertig sein und wie es gemacht werden soll. Irgendwann war der Zeitpunkt gekommen, mein ureigenes Ding zu machen.«
Vom Deutschpop zur jiddischen Folklore: Die Initialzündung für Sabans künstlerische Neuorientierung war ein gemeinsames Konzert mit Xavier Naidoo und den Söhnen Mannheims in der Berliner Max-Schmeling-Halle, bei dem vor 9.000 Zuschauern das hebräische Gebet Adon Olam gesungen wurde. »Das war einfach ein wunderschönes Gefühl.« Maya Saban fragte sich danach, wann sie beim Singen das letzte Mal so viel Spaß gehabt hatte. »Das war im Alter zwischen sieben und vierzehn, als ich in der Gruppe Gita, einem jüdischen Ensemble in Berlin, jiddische, hebräische und russische Lieder gesungen und getanzt habe. Da war ich ganz nah bei mir.«
Ähnlich ging es Elina Tilipman. Das Jewdyssee-Projekt begann sie »zu einer Zeit, in der ich mich gerade wieder mehr für Judentum zu interessieren begann«, sagt die Tochter von Zuwanderern, die sich in den achtziger Jahren in Nordenham, einem kleinen Nest bei Oldenburg niedergelassen hatten – als einzige jüdische Familie weit und breit. »Erst mit acht Jahren habe ich überhaupt erfahren, dass ich jüdisch bin. Meine Eltern hatten das ›ganz normal’ geheim gehalten.« Maya Saban dagegen ist traditionell jüdisch aufgewachsen. Alle Feiertage, von Simchat Tora bis Pessach, wurden zu Hause gefeiert. Ihr Vater ist Israeli. »Noch heute spricht er Hebräisch mit mir, wenn er sauer auf mich ist.«
Jiddische Kultur spielte bei beiden Frauen keine, oder allenfalls eine marginale Rolle. Vielleicht gehen sie deshalb mit den alten Liedern so entspannt um. »Wir wollen eine andere, zeitgenössische Sicht von Judentum vermitteln, nicht gebückt, von der Tradition erdrückt, gebeutelt und verfolgt«, sagt Elina Tilipman. Und Maya Saban fügt hinzu: »Ich will nicht mehr darüber sprechen, ob ich mich als Jüdin in Deutschland wohlfühle angesichts der Vergangenheit. Elina und ich finden, dass wir über diesen Punkt hinweg sind. Wir leben im 21. Jahrhundert.«
Ihre Musik passt zu dieser Einstellung. Zu Songs wie Chiribim Chiribom oder Bei mir bistu sheyn werden zeitgenössische Rhythmen unterlegt. Dafür sorgt Walera Goodman, Produzent und Soundtüftler. »Ich will, dass Jewdyssee ein Gefühl verbreitet von ›Ich tanz mir die Seele aus dem Leib, ich schwitze und bin gut gelaunt’«, erklärt Saban. Das scheint zu funktionieren und hat sich sogar bis in die USA herumgesprochen. Ende Februar ist die Band bei jüdischen Kulturfestivals in Los Angeles und in Long Beach aufgetreten.
Wer Jewdyssee in Deutschland sehen und hören will, hat übernächste Woche dazu Gelegenheit. Als DJ-Set treten sie beim Magbit am 22. März in Frankfurt, am 25. März in Köln und am 29. März in Berlin auf. Eine CD ist für den Herbst geplant.