von Detlef David Kauschke
Die Warnung des Psalmisten ist deutlich: »Wenn ich dein vergesse, Jerusalem, vergesse meine Rechte.« Am Donnerstag war Jerusalem-Tag. Einmal im Jahr steht die Heilige Stadt im Mittelpunkt. Zumindest kalendarisch. In einigen Gemeinden hierzulande gibt es Veranstaltungen. In der ein oder anderen Synagoge wird der Tag begangen, im Kreise weniger Beter. War’s das?
Der Jerusalem-Tag fällt auf den 28. Ijar. Das ist nach dem hebräischen Kalender der Tag, an dem im Sechs-Tage-Krieg 1967 israelische Fallschirmspringer sich den Weg zur Altstadt freikämpften. »Har Habajit bejadejnu«, der Tempelberg ist in unseren Händen, lautete damals der legendäre Satz. An diesem Tag begann die Wiedervereinigung der Stadt. Juden konnten wieder ungehindert an der Klagemauer beten. Über Jahrhunderte hinweg konnten sie vom selbstbestimmten Leben in Jerusalem nur träumen, 2.000 Jahre haben sie sich im Exil nach der Heiligen Stadt gesehnt. »An den Strömen Babel, dort saßen wir und weinten, da wir Zions gedachten.«
Heute sind wir nur noch ein paar Flugstunden entfernt. Billigtickets nach Israel sind inzwischen schon für 99 Euro zu bekommen. dennoch scheint Zion vielen weiter entfernt, als je zuvor. Ist New York oder Nürnberg, Nowgorod oder Netanja wichtiger als Jerusalem?
Seit 2.000 Jahren wenden sich Juden beim Gebet in Richtung der Heiligen Stadt. Immer wieder findet die Sehnsucht nach Zion Ausdruck. Am Ende der Pessach-Seder verabschieden sich alle mit dem Satz: »Nächstes Jahr in Jerusalem.«
Kreuzfahrer, Türken, Araber und Palästinenser haben versucht, die Geschichte dieser Stadt umzuschreiben. In der islamischen Welt wird bezweifelt, daß es über-
haupt jüdische Spuren in Jerusalem gibt. Inzwischen feiern auch Moslems einen Jerusalem-Tag, den sogenannten Al-Quds-Tag. Sie gehen zu Tausenden auf die Straße, um ihren Anspruch auf die Stadt zu bekräftigen.
Seit König David vor etwa 3.000 Jahren Jerusalem zur Hauptstadt des jüdischen Volkes machte, gab es nie einen Tag zu Ehren dieser Stadt. Der Jerusalem-Tag ist im hebräischen Kalender ein junger Feiertag, noch ohne besondere Traditionen und Bräuche. Auch ist sein Status im religiösen Leben noch unbestimmt. Ultraorthodoxe akzeptieren diesen Tag ebenso wenig wie den israelischen Unabhängigkeitstag. Außerhalb Israels ist der Tag ebenfalls noch nicht richtig angenommen.
Um so wichtiger ist es, in jüdischen Schulen und Einrichtungen Wissen über Jerusalem zu vermitteln, an Jerusalem zu erinnern. Das jüdische Volk wird durch Erinnerung und Hoffnung zusammengehalten. Und durch Jerusalem. »Die Stadt verbindet«, heißt es in den Psalmen. Jerusalem ist die lebendige Verbindung zur Geschichte, die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft. Feiern wir das, spätestens beim nächsten Jerusalem-Tag, am 16. Mai 2007.