von Wladimir Struminski
81 Jahre nach dem Tod von Harry Houdini hat das jüdische Volk einen neuen Entfesselungskünstler: Ehud Olmert. Schon wenige Tage nach der Vorlage des abschließenden Untersuchungsberichts zum zweiten Libanonkrieg konnte der gewiefte Taktiker seinen Kopf aus der Schlinge ziehen. Die interne Revolte in der Kadima-Partei wurde im Keim erstickt. Auch der angedrohte Koalitionsbruch blieb aus: Der Verteidigungsminister und Vorsitzende der Arbeitspartei Ehud Barak zog seine Forderung nach Olmerts sofortigem Rücktritt zurück – unter dem Hinweis auf das Wohl des Landes.
Dabei wurde Olmert von der Kommission alles andere als weißgewaschen: Israel, so der Bericht, habe den Krieg begonnen, ohne sich für eine konkrete Strategie entschieden zu haben. Die wochenlange Konzeptionslosigkeit während des Krieges trug maßgeblich dazu bei, dass »eine halbmilitärische Organisation« – die Hisbollah – »mit mehreren Tausend Kämpfern mehrere Wochen lang der stärksten Armee des Nahen Ostens widerstehen konnte«.
Allerdings trägt Olmert die Schuld nicht allein. Die Kommission ging äußerst scharf mit der Armee ins Gericht. Für die bloßgelegten Mängel seien zu einem großen Teil auch »diejenigen verantwortlich, in deren Zuständigkeit die militärische Bereitschaft in den Jahren vor dem Krieg lag«. Das betrifft unter anderem Olmerts schärfsten Widersacher in der Kadima-Partei, Verkehrsminister Schaul Mofas. Dieser war bis 2002 Generalstabschef und anschließend vier Jahre lang Verteidigungsminister. Ein Stück Verantwortung fällt auch auf Ehud Barak. Schließlich hat er im Jahr 2000 als Premier den hastigen Rückzug aus dem Südlibanon angeordnet, der die israelische Sicherheitszone in ein »Hisbollah-Land« verwandelte. Auch ein Grund, warum Barak vom hohen Ross seines Ultimatums herabstieg. Zudem haben Wahlprognosen seine Kampflust gedämpft. Zwar könnte die Arbeitspartei heute bei Neuwahlen mit 21 Mandaten statt der jetzigen 19 Sitze rechnen. Allerdings würde Kadima von 29 auf 11 Sitze schrumpfen, während die mitregierende Rentnerpartei in der Knesset nicht mehr vertreten wäre. Im Klartext: In einer Regierung von Likud-Chef Benjamin Ne-tanjahu wären Baraks Mannen kaum dabei.
So heißt es für Ehud Olmert: Weitermachen! Die Garantie für eine erfolgreiche Regierungsbilanz ist das aber nicht. Vor allem ist die Vorstellung äußerst optimistisch, Olmert könne seine Restamtszeit für einen israelisch-palästinensischen Friedensvertrag nutzen. Dafür nämlich hat Olmert auch nach dem Winograd-Bericht keinen ausreichenden Rückhalt in seiner Koalition. Die orthodoxe Schas kündigte bereits an, in die Opposition zu gehen, sobald die Regierung Verhandlungen über eine Teilung Jerusalems aufnimmt. Auch in der Kadima und bei den Rentnern gibt es Friedensskeptiker. So müsste sich Olmert auf die Duldung der linken Meretz und der antizionistischen arabischen Parteien verlassen. Vor allem Letzteres ist äußerst unwahrscheinlich.