Sie alle sind gekommen, um im Heiligen Land Weihnachten zu feiern. Mindestens 70.000 christliche Pilger wandeln dieser Tage auf Jesu Spuren, besuchen Kirchen, Klöster und Messen von Tiberias über Jerusalem bis nach Bethlehem. Doch die Christen aus aller Welt bringen auch jede Menge Gaben mit – in bar. Tourismusminister Stas Misezhnikov ist begeistert und hat die Städte Jerusalem und Nazareth aufgerufen, sich passend zur weihnachtlichen Tradition festlich zu schmücken, damit sich die gläubigen Gäste ganz wie zu Hause fühlen. Sehr zum Ärgernis einiger jüdischer Traditionalisten.
Lichterglanz In Nazareth und Bethlehem, Städten mit einem relativ hohen Anteil an arabisch-christlicher Bevölkerung, erscheinen Straßen wie Schaufenster schon seit Wochen in buntem Lichterglanz. Und auch in den verwinkelten Gässchen des christlichen Viertels der Hauptstadt verströmen sie die Atmosphäre, die in dieser Jahreszeit die deutschen Lande fest im Griff hat: dickbäuchige Weihnachtsmänner aus Gummi, blinkende Leuchtsterne und endlose Girlanden aus immergrünem Kunststoff.
Auch in so manchem Hotel und Restaurant der Stadt glitzert dieser Tage ein Weihnachtsbäumchen in einer Ecke. Meist nicht besonders groß und aus Plastik mit ein paar farbenfrohen Lichtlein am Grün. Nicht nur in den arabischen Lokalen, sondern auch in einigen jüdischen mit »Ko-
scher-Zertifikat« an der Wand. Allein um die christlichen Gäste anzulocken und ih-
nen zu signalisieren: »Kommt herein, hier seid ihr willkommen!« Doch es wäre wohl nicht Jerusalem, wenn das gänzlich ohne Gezanke und Gezeter so hingenommen würde.
Denn plötzlich waren da diese Flugblätter mit dem Absender der »Lobby für jüdische Werte«, die zur Ächtung der weih-nachtlich geschmückten Läden aufrufen. Darin stand geschrieben: »Das Volk Israels hat seine Seele gegeben, um über die Jahre die Werte der Tora und der jüdischen Identität zu bewahren. Ihr solltet diesem Pfad folgen und nicht der lächerlichen Atmosphäre zum Ende des zivilen Jahres verfallen. Vor allem solltet ihr den Geschäften, die diese dümmlichen Symbole der Chris-tenheit verkaufen oder ausstellen, nicht helfen«.
Nach Auskunft von Ofer Cohen, dem Vorsitzenden der »Lobby für jüdische Werte«, hat seine Organisation sogar den Rück-halt vieler Rabbiner und zieht die Veröffentlichung einer Liste mit allen Ge-
schäften in Erwägung, die ihre Räume mit Weihnachtsmann, Rauschgoldengel und Co. dekorieren. »Diese sollten dann gemieden werden«, rief er zum Boykott auf. Angeblich will Cohen sogar das Jerusalemer Rabbinat überzeugen, den entsprechenden Restaurants und Hotels das Kaschrut-Zertifikat zu entziehen.
Tourismus Dabei war es der Tourismusminister höchstpersönlich, der den Jerusalemer Bürgermeister Nir Barkat aufgerufen hatte, »das festliche Flair auf die Hauptstraßen und an die Sehenswürdigkeiten seiner Stadt zu bringen, damit sich die Touristen willkommen geheißen fühlen«. Nach Angaben des Ministeriums sind 2009 um die 850.000 christliche Pilger nach Is-
rael eingereist. Die meisten von ihnen besuchten die für sie heiligen Stätten in Bethlehem, Jerusalem und Nazareth aber auch das höchste Heiligtum der Juden, die Klagemauer.
Die christliche Gemeinde in ihren verschiedenen Bekenntnissen stelle einen zentralen Anker des eingehenden Tourismus unseres Landes dar, erläuterte Misezhnikov. Ein Multijahresplan des Ministeriums soll in den nächsten drei Jahren eine zusätzliche Million Besucher nach Israel bringen. »Besonderer Fokus wird auf die Zusammenarbeit mit den Oberhäuptern der Gemeinden in der christlichen Welt gelegt, um an das Potenzial der hundert Millionen von Gläubigen zu gelangen«, sagte er.
Michal Sivan ist Jüdin und Jerusalemerin mit Leib und Seele. »Ich würde mir natürlich keinen Weihnachtsbaum in die Wohnung stellen und auch keine Engelchen aufhängen. Das gehört einfach nicht zu uns Juden«, ist sie überzeugt. Den Aufruf der »Lobby« aber findet sie falsch, be-
sonders stört sie der abfällige Ton auf den Flugblättern. »Symbole anderer Religionen als dumm zu bezeichnen, ist herabwürdigend und falsch, doch glücklicherweise ist das nur die Meinung einiger weniger.« Gastfreundschaft sei im Judentum immer groß geschrieben worden, so Sivan. »Man sollte das Aufstellen der weihnachtlichen Symbole für die christlichen Besucher als nette Geste sehen. Denn das ist sie. Und kein Grund, sich so aufzuregen.«