von Ayala Goldmann
Bis vor einem Monat war Wafa Sultan, US-amerikanische Psychologin syrischer Herkunft, der Weltöffentlichkeit kein Begriff. Dann gab die 47jährige dem arabischen Sender Al Dschasira am 21. Februar ein spektakuläres Interview, in dem sie mit muslimischem Fundamentalismus und religiösem Terror hart ins Gericht ging. Sultan sprach von einem »Kampf zwischen der Moderne und der Barbarei«, beschuldigte die Moslems, den Zusammenstoß der Zivilisationen herbeigeführt zu haben, und deutete in ihrer radikalen Ursachenforschung sogar auf die Grundsäulen des Islam: »Der Prophet des Islam sagte: Ich wurde angewiesen, die Menschen zu bekriegen, bis sie an Allah und seinen Botschafter glauben.« Und sie griff die Frauenfeindlichkeit der Islamisten an: »Ihr könnt von mir aus an Steine glauben – solange ihr damit nicht nach mir schmeißt.«
Die Organisation MEMRI (Middle East Media Research Institute) stellte das Video kurz nach dem Auftritt ins Internet. Mehr als drei Millionen Mal, so MEMRI, sei die Aufzeichnung inzwischen angeklickt worden und habe für großes Aufsehen in der arabischen Welt gesorgt. In Hunderttausenden von E-Mails sei das Video verschickt worden. Seit ihrem TV-Auftritt wird die Psychologin mit der energischen Stimme und den leidenschaftlichen Augen, die sich im Studio von Al Dschasira weder vom Moderator einschüchtern noch von einem islamistischen Kleriker als Ketzerin brandmarken ließ, mit Todesdrohungen überhäuft.
Was die Fanatiker besonders erzürnen dürfte: Wafa Sultan, die mit ihrem Mann und drei Kindern in einem Vorort von Los Angeles lebt, stellte den Moslems ausgerechnet die Juden als leuchtendes Beispiel für eine erfolgreiche Politik hin. »Die Juden haben den Holocaust überlebt und die Welt gezwungen, sie zu respektieren – durch ihr Wissen, nicht mit Hilfe von Terror; durch ihre Arbeit, nicht durch Jammern und Klagegeschrei. Wir haben im Lauf der Geschichte keinen einzigen Juden gesehen, der sich in einem deutschen Restaurant in die Luft gesprengt hätte. (...) Nur die Moslems verteidigen ihren Glauben, indem sie Kirchen anzünden, Menschen töten und Botschaften zerstören.«
Was hat Wafa Sultan, die 1989 aus Syrien in die USA auswanderte, zu dieser scharfen Kritik veranlaßt? Laut einem Bericht der New York Times wuchs die Psychologin in einer traditionellen muslimischen Familie in Banias auf, einer syri- schen Stadt am Mittelmeer. Sie hielt sich an die religiösen Vorschriften – bis sie 1979 als Medizinstudentin in Aleppo Zeugin eines grausamen Terroraktes wurde. Die radikale muslimische Bruderschaft, die das Regime von Hafis Al-Assad unterminieren wollte, stürmte einen Seminarraum und erschoß einen Hochschulprofessor vor Sultans Augen. »Sie haben ihn mit Hunderten von Kugeln durchsiebt und dazu gerufen: Allah ist groß«, sagte Sultan der New York Times. »Ich habe damals meinen Glauben an Gott verloren, und das hat mich zu meinem heutigen Standpunkt geführt. Ich mußte weg.«
Doch auch in den USA ließen Wafa Sultan ihre Erinnerungen nicht los. Sie begann, für eine gemäßigte muslimische Website zu schreiben. So wurde Al Dschasira auf sie aufmerksam und lud sie zur Diskussion ein. Von jüdischer Seite erntete sie Beifall: Wafa Sultan, die dem Kleriker im Studio unerschrocken über den Mund fuhr, wurde zu einer Konferenz des American Jewish Congress im Mai nach Israel eingeladen. Per Mail und per Telefon wird sie von anderer Seite dagegen mit Todesdrohungen überhäuft. Kostprobe: »Was, du bist noch am Leben? Warte ab.«