von Wladimir Struminski
Die Verhandlungen waren zäh, jetzt aber ist es so weit. Israels Ministerpräsident Ehud Olmert und Verteidigungsminister Ehud Barak haben eine ab Donnerstag geltende Feuerpause mit der Hamas im Gasastreifen gebilligt. Das teilte der israelische Rundfunk am Mittwochmorgen mit. Im ersten Stadium sieht die mehrstufige Vereinbarung ein Ende des von Gasa ausgehenden Raketenbeschusses durch alle palästinensischen Terrororganisationen und gleichzeitig die Einstellung israelischer Militäraktionen vor. In der zweiten Phase sollen die Verhandlungen über einen Gefangenenaustausch zu Ende gebracht werden. Dabei, so der Plan, öffnet Israel die Gefängnistore für palästinensische Sicherheitshäftlinge. Im Gegenzug lassen die Palästinenser den vor zwei Jahren entführten israelischen Soldaten Gilad Schalit frei. Anschließend stimmt Jerusalem der Öffnung des palästinensisch-ägyptischen Grenzübergangs in Rafah zu. Damit wäre die bisherige Blockade des Gasastreifens aufgehoben. Für das Westjordanland gilt die Vereinbarung nicht, nachdem Israel die einschlägige Forderung der Hamas kategorisch zurückgewiesen hat. Nach israelischer Einschätzung würde eine Aussetzung der Terrorbekämpfung in kurzer Zeit zu einer islamistischen Machtübernahme im Westjordanland führen.
Doch das Abkommen steht auf wackligen Füßen. Die »Ruhephase«, wie sie offiziell heißt, wird in Israel heftig kritisiert, und zwar nicht nur aus der rechten Ecke. Noch am Vorabend des Abkommens lehnte Vizepremier Chaim Ramon (Kadima) die Feuerpause als einen Sieg der Hamas ab. »Der eigentliche Kampf im Nahen Osten findet nicht zwischen Juden und Palästinensern, sondern zwischen dem extremistischen Islam und gemäßigten Staaten statt.« Durch die Vereinbarung, so Ramon, werden die Islamisten gestärkt und können mit neuem Zulauf rechnen. Namentlich nicht genannte ranghohe Offiziere bemängelten gegenüber dem israelischen Rundfunk, die Hamas werde die Verschnaufpause zu ungehinderter Aufrüstung nutzen. Unmittelbar vor Abschluss der Verhandlungen warnte Generalstabschef Gabi Aschkenasi, Israel bleibe auf Kollisionskurs mit der Hamas. Auf palästinensischer Seite wiederum muss die Hamas die Feuereinstellung erst einmal durchsetzen. Während die Hamas der Ruhepause aus langfristigen innenpolitischen und militärischen Überlegungen heraus zugestimmt hat, sehen sich nicht alle Terroristen an diese Planung gebunden. Sie fürchten, dass eine Kampfpause dem Endziel der Vernichtung Israels schaden könnte. Unterm Strich gehen israelische Sicherheitsexperten davon aus, dass die Kampfpause nicht lange anhalten wird. Wenn Olmert und Barak dennoch zugestimmt haben, so nicht zuletzt, um Schalit freizukaufen. Der junge Soldat, so Olmert, sei »ein integraler Teil des Abkommens«. Nun bleibt abzuwarten, ob der Gefangenenaustausch abgewickelt wird. Ausgemacht sei die Sache, so ein Sprecher der Hamas am Mittwoch, wegen anhaltender Differenzen über die Kriterien für die Freilassung palästinensischer Häftlinge bisher nicht.