Von Dirk Hempel
Vorwärts, und doch zeitlos. Neben der Synagoge in der Oranienburger Straße steht in hebräischen und lateinischen Buchstaben Kadima an der Fassade. Wer dem leuchtend blauen Teppich in den Eingangsbereich des Gründerzeitgebäudes folgt, sieht an den Wänden aus weißem Marmor auch eine alte Uhr – ohne Zeiger. Die Zeitlosigkeit ist Absicht. Denn das Kadima (hebräisch für vorwärts) ist ein neues jüdisches Restaurant im Stil der 20er Jahre.
Zwei große, handgemalte Wandbilder zeigen Straßenszenen aus dieser Zeit, die Tische sind 19 jüdischen Persönlichkeiten gewidmet. Unter den Tischplatten aus Glas sind Foto-Collagen eingelassen, die an die jeweilige Person erinnern: von Albert Einstein bis Billy Wilder. Auch das Speiseangebot soll sich ihnen widmen. »Die Leute können am Billy-Wilder-Tisch Platz nehmen, seine Lieblingsgerichte bestellen und dazu der Musik lauschen, die er gerne gehört hat«, so die Vision von Kadima-Geschäftsführer Lary Gelerman. Stolz präsentiert er als neuer Pächter Räume und Kon- zept. Er sieht das Kadima als kulturelle Begegnungsstätte – »für die Jüdische Gemeinde, für die Berliner und für Touristen«. Die Nutzung von weiteren Räumen in dem Komplex der Jüdischen Gemeinde ermögliche ein umfangreiches kulturelles Rahmenprogramm: Stummfilme, Konzerte und Veranstaltungen sind in der Planung.
Auf der Speisekarte stehen jüdische, russische und israelische Spezialitäten. Das entspricht der Zusammensetzung der Küchencrew. Küchenchef Ulrich J. Walter schätzt die Zusammenarbeit im israelisch-ukrainisch-deutschen Team. Selbst kein Jude, findet er die jüdische Küche höchst interessant. Das Essen im Kadima ist zwar nicht koscher, aber kosher-style: Es gibt keine Gerichte, die Milchiges und zugleich Fleischiges enthalten, auch Schweinefleisch kommt Walter nicht in die Küche. Für Veranstaltungen könne das Kadima aber ein koscheres Buffet präsentieren.
Zum Presse-Empfang präsentiert Walter aber zunächst ein »Best of« seiner Speisekarte: Orangen-Lachs, israelischen Salat, hausgemachte Ruccola-Nudeln, mit Couscous gefüllte Paprika. Der hauseigene Patissier hat sogar eine eigene Kadima-Torte kreiert – mit Himbeer und Champagner. Für Mitarbeiter der Jüdischen Gemeinde hat sich Gelerman ein besonderes Angebot ausgedacht: einen preiswerten Mittagstisch. Der 47jährige ist selbst Gemeindemitglied und leitet als Geschäftsführer die CityConAct-Hotelgruppe, zu der auch das Kadima gehört. Ideengeber für das neue Restaurant ist sein Bruder.
Naftoli Gelerman durchquerte häufig den Hof des leerstehenden denkmalgeschützten Gebäudes. »Immer ärgerte mich, daß es nicht genutzt wird«, sagt er im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. Das »Oren« schloß im April 2004, zwölf Jahre nachdem es als einer der ersten jüdischen Anlaufpunkte im ehemaligen Ostteil der Stadt eröffnet worden war.
Den neuen Investor schreckt das Schicksal des Vorgängers nicht ab. Lary Gelermans hat eine Standortanalyse gemacht. Und natürlich sind auch eigene Erfahrungen eingeflossen. Ein neues Konzept wurde entwickelt, ein langfristiger Pachtvertrag mit der Gemeinde geschlossen, 600.000 Euro in den Umbau gesteckt und der Name Kadima ausgesucht. Ohne politische Hintergedanken, wie Lary Gelerman betont. Es nehme weder auf die Partei-Neugründung in Israel noch auf das Wahlbündnis in der Jüdischen Gemeinde Bezug. »Kadima ist einfach ein geläufiges Wort, das einen schönen Klang und eine zukunftsweisende Bedeutung hat«, sagt er. Sein Bruder Naftoli ergänzt: »Wir machen hier keine Politik, sondern gutes Essen.«
Das Kadima Restaurant, Oranienburger Straße 28-30, ist täglich von 10 bis 2 Uhr geöffnet.