von Yizhak Ahren
»Sprich es zu Israels Söhnen und erläutere es ihnen: ein Mensch, wenn er von euch ein Opfer Gott nahebringen will, aus dem Viehgeschlecht, aus der Rinder- und aus der Kleinviehgattung sollt ihr euer Opfer nahe bringen« (3. Buch Moses 1,2). Wir wissen, daß es verschiedene Sorten von Opfern gibt. Raschi erklärt, daß in unserem Fall von der Darbringung freiwilliger Opfer (hebr. Korbanot Nedava) die Rede ist.
Da es sich um ein Opfer handelt, das jemand aus freien Stücken zum Heiligtum bringt, könnte man vermuten, daß diese Möglichkeit jedem Menschen offensteht. Für diese Annahme spricht die Tatsache, daß der Vers den Opferdarbringenden als »Adam« (ein Mensch) bezeichnet. Allerdings finden wir im Sifra eine Drascha (Auslegung), nach der ein Apostat (hebr. Mumar) die Ausnahme bildet. Ausdrücklich wird nicht jeder Verbrecher gegen das jüdische Gesetz vom Opferbringen ausgeschlossen, sondern nur derjenige, der durch Abfall unjüdisch geworden ist. Der Tora-Kommentator Rabbiner Chiskia Ben Monoach erklärt, daß man sogar vom übelsten Nichtjuden Opfer annimmt, um ihn der Schechina näherzubringen. Warum behandelt man einen Mumar schlechter? Rabbiner Owadja Seforno zieht aus der Bestimmung, daß ein Apostat kein Korban dar- bringen darf, den Schluß, dieser sei schlimmer als ein Heide.
Im Kommentar von Rabbiner Samson Raphael Hirsch finden wir eine interessante Deutung: »Die Ausschließung des zum Heidentum abgefallenen Juden und Zulassung des geborenen Heiden zu Opfern im jüdischen Tempel dürfte vielleicht in dem Motive wurzeln, daß der von jüdischen Händen Gott errichtete Altar durch ein Opfer heidnischer Juden die Reinheit seiner Bedeutung einbüßen würde; die jüdische Gesinnung, die dem Altar seine Bedeutung gibt, zöge ihn alternierend ins Heidentum hinüber. Durch den Heiden jedoch kann der jüdische Altar nichts an seiner reinen Beziehung zu Gott einbüßen. Vielmehr ist er von Juden errichtet, um einst alle Heiden zu Gott zu sammeln.« Ausgeschlossen wird der Mumar nicht nur von Korbanot Nedava. Auch vom Pessach-Opfer darf er nicht genießen. »Gott sprach zu Moses und Aaron: Dies ist die Bedingung des Pessach: Kein Sohn des Fremdentums darf davon essen« (2. Buch Moses 12,43). Raschi erklärt, hier sei die Rede sowohl von einem Nichtjuden als auch von einem Juden, dessen Handlungsweisen fremdartig gegen den himmlischen Vater geworden sind. Eine weitere Bedingung lautet: »Kein Unbeschnittener darf davon essen« (2. Buch Moses 12,48). Rabbiner Hirsch erläutert den Sinn des Pessach-Opfers und der genannten Bedingungen wie folgt: »Es ist dies die ewig zu erneuernde Bundesschließung mit Gott für Israels welthistorischen Gang durch die Zeiten. Grundbedingung ist: daß nur der daran teilnehmen darf, der national, sei es durch Geburt, Hörigkeit oder Wahl, und an Gesinnung diesem jüdischen Gottesbund angehört und das Zeichen dieser Bundeszugehörigkeit, die Mila, an sich hat. Ausgeschlossen ist somit: Mumar, der durch seine Lebensweise dem jüdischen Gottesbund entfremdete Jude.«
Es ist zwar richtig, daß ein Mumar jüdisch bleibt – denn ein Austritt aus dem Judentum ist nicht vorgesehen. Aber von bestimmten Dingen wird er, wie wir gesehen haben, doch ausgeschlossen. Halachisten haben folgende Frage diskutiert: Ist von dem Ausschluß vom freiwilligen Opfer abzuleiten, daß man von einem Mumar keine Spende für die Synagoge annimmt? Zu diesem Problem sind verschiedene Ansichten geäußert worden (siehe die Entscheidung von Rabbiner M. Isserles, Jore Dea, Ende Kap. 254, und eine ausführliche Diskussion in Responsa »Jabia Omer« Orach Chajim 22).
Wajikra: 3. Buch Moses 1,1 – 5,26