Seit 30 Jahren werden in der Islamischen Republik Iran unschuldige Menschen willkürlich inhaftiert, gefoltert, vergewaltigt und hingerichtet. Bisher hat die Weltgemeinschaft das allerdings aus verschiedenen Gründen nicht zur Kenntnis genommen. Doch spätestens seit dem 12. Juni gibt es keine Ausrede mehr, die Augen vor der Realität in Iran zu verschließen. Das Regime hat seine Brutalität offen demonstriert und brüstet sich nun mit kafkaesken Schauprozessen gegen diejenigen, die auf den Straßen Teherans zuvor Demokratie eingefordert hatten. Den Unterdrückungsstaat kennzeichnet, dass entsprechende Geständnisse (Hochverrat, Spionage) in der Regel durch Gewaltanwendung erzwungen werden. Zu Recht fordert daher der rheinland-pfälzische Innenminister Karl Peter Bruch einen bundesweiten Abschiebestopp für iranische Flüchtlinge. Denn eine Rückkehr in ihre Heimat würde diese Menschen in Todesgefahr bringen.
Die iranische Zivilgesellschaft hat im Sommer auf beeindruckende Art und Weise demonstriert, dass in ihr die Kraft einer Freiheitsbewegung steckt, die die gesamte islamische Welt verändern könnte: ein säkulares, gebildetes und modernes Volk, das einen demokratischen Iran anstrebt. Einen Staat, in dem die Frauen- und Menschenrechte geachtet und die ethnisch-religiösen Minderheiten respektiert werden. In dem Religion Privatsache ist und friedliche Koexistenz mit anderen Ländern das außenpolitische Maß aller Dinge darstellt.
Das Regime der Islamischen Republik dagegen hat der Welt und der eigenen Bevölkerung vor Augen geführt, dass es eine Freiheitsbewegung um jeden Preis ersticken will. Geschüttelt von Panikattacken begehen die Herrschenden einen strategischen Fehler nach dem anderen. So zeigt sich das geistliche Oberhaupt des Landes, Ajatollah Chamenei, besorgt über die hohe Zahl der Studenten der Geisteswissenschaften. Dem Vernehmen nach will er diesen Umstand als Ausrede nutzen, um den regulären Beginn des Wintersemesters an den Universitäten zu verhindern – aus Angst, es könnte zu neuen Massendemonstrationen kommen.
Um diese Herrschaftsform tatsächlich verstehen zu können, muss man etwas weiter in der Geschichte des Landes zurückgehen. Die Frage lautet: Was hat dazu geführt, dass der Iran heute de facto eine Militärdiktatur ist? Als 1989 Ajatollah Chamenei mehr oder weniger zufällig zum obersten religiösen Führer der Islamischen Republik (und damit zum Nachfolger von Revolutionsikone Ajatollah Chomeini) ernannt wurde, begann er, sich macht- politisch auf die paramilitärischen Revolutionsgarden zu konzentrieren. Chamenei tat dies, weil ihm die Vertreter des religiösen Establishments die Unterstützung versagten. Dieser Prozess der schleichenden Militarisierung betraf den ganzen Staat: von der Wirtschaft bis hin zum Atomprogramm. Selbst das Pseudo-Parlament wurde mit paramilitärischen Kräften besetzt. War es also in den 80er-Jahren ein klerikaler Faschismus, der die Islamische Republik kennzeichnete, so ist es nun ein paramilitärischer Faschismus, der die Menschen un-terdrückt – und eine ernst zu nehmende Gefahr für die gesamte Welt darstellt.
Spätestens seit 2003, als durch iranische Oppositionelle bekannt wurde, dass die Islamische Republik seit Jahren ihr geheimes Atomprogramm vorantreibt, weiß die internationale Staatengemeinschaft um diese reale Bedrohung. Sie weiß, dass ein atomar bewaffneter Iran eine existenzielle Bedrohung für den Staat Israel und für den gesamten Nahen Osten darstellt. Auch für Europa. Die Welt hat es trotzdem bislang nicht ge- schafft, eine gemeinsame Haltung gegenüber dieser Gefahr zu finden. Besonders Europas »kritischer Dialog« mit dem Iran kann als gescheitert gelten. Teheran ist nur zu einem Monolog fähig. Und das Regime hat durch Europas Appeasementpolitik vor allem eines gewonnen: Zeit.
Wer ernsthaft die Atombombe in den Händen dieses Regimes noch verhindern will, muss an der richtigen Stelle Druck ausüben – im Bereich der Wirtschaft. Sie ist die Achillesferse der Herrschenden in Teheran. Doch gleichzeitig muss der Westen das Gespräch mit der iranischen Bevölkerung suchen. Die Solidaritätsadressen von Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy waren ein Anfang. Doch den Worten müssen am 24. und 25. September beim G-20-Gipfel in Pittsburgh Taten folgen, wenn über schärfere Sanktionen verhandelt wird. Entscheidend dabei ist, den Iranern klarzumachen: Nicht sie sollen durch derartige Maßnahmen bestraft werden, sondern das Regime, das die Kooperation seit Jahren verweigert. Das ermutigt die Menschen und unterstützt sie auf ihrem Weg zur Freiheit.
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