Paul Spiegel

Von Herzen

von Detlef David Kauschke

Die Stimmung in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt entsprach dem traurigen Ereignis: der Himmel bewölkt, auf den Straßen kaum Betrieb, auch am Rheinufer nur wenige Spaziergänger, die Fahnen an den öffentlichen Gebäuden auf halbmast gesetzt. So verabschiedete sich Düsseldorf am vergangenen Sonntag von Paul Spiegel sel. A.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte am Ende der Schloschim, der 30tägigen Trauerzeit, zu einer zentralen Gedenkfeier für ihren am 30. April verstorbenen Präsidenten in die Düsseldorfer Tonhalle geladen. Die Bühne des Konzertsaals war dezent mit Lilien, Rittersporn und Levkojen geschmückt. Ein großes, schwarz-weißes Porträtfoto von Paul Spiegel stand neben dem Rednerpult. Auf dem Programm keine Musik, nur Gebete, Psalmen und Reden mit zum Teil sehr persönlichen Worten des Abschieds. Die politische Führung des Landes war nach Düsseldorf gekommen, um dem »Brückenbauer zwischen Juden und Nichtjuden«, wie Spiegel an diesem Nachmittag mehrfach bezeichnet wurde, die letzte Ehre zu erweisen. Allen voran Bundespräsident Horst Köhler, Kanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Franz Müntefering, weitere Kabinettsmitglieder, Parteivorsitzende und Mi- nisterpräsidenten. Neben kirchlichen Würdenträgern saßen zahlreiche Rabbiner und Repräsentanten jüdischer Gemeinden aus dem In- und Ausland. »Es ist gut zu sehen, daß viele Freunde gekommen sind«, sagte Zentralratsvizepräsidentin Charlotte Knobloch und begrüßte namentlich unter anderem auch Christina Rau, die Witwe von Bundesdespräsident Johannes Rau, die Ex-Bundesminister Joschka Fischer und Wolfgang Clement, die Publizisten Ralph Giordano und Michel Friedman.
Trotz der hohen Zahl politischer Prominenz und der umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen, die der Feier den Charakter eines Staatsaktes verliehen, gab es während der zweistündigen Zeremonie recht private Augenblicke in einer teilweise fast familiären Atmosphäre. Schon zu Beginn hatte der Bundespräsident Paul Spiegels Witwe Gisèle – an der Hand haltend – zu ihrem Platz im Saal begleitet. In seiner Ansprache machte das Staatsoberhaupt mit bewegter Stimme deutlich, wie schwer es auch ihm fiel, von Paul Spiegel Abschied nehmen zu müssen. »Vielleicht ist es Ihnen ein kleiner Trost, daß so viele Menschen mit Ihnen trauern, und ich besonders auch«, sagte er zu Gisèle Spiegel und den beiden Töchtern Dinah und Leonie. Nicht nur Düsseldorfs Gemeinderabbiner Julian Chaim Soussan ließ sich danach ein Taschentuch reichen, um einige Tränen aus den Augen wischen zu können.
Wie Horst Köhler erinnerten auch die nachfolgenden Redner an die »Wärme und Freundlichkeit«, die Paul Spiegel aus-strahlte. Seine Lebensfreude und Herzensgüte wurden gelobt und immer wieder auch sein feinsinniger jüdischer Humor. Doch möglicherweise habe eben dieser Humor »die existentielle Melancholie des Davongekommenen überdeckt«, sagte Zentralratsvizepräsident Salomon Korn nachdenklich.
Spiegels Wirken an der Spitze des Zentralrats, im Landesverband von Nordrhein und »seiner Gemeinde« wurde gewürdigt, ebenso wie sein Einsatz gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. »Sein großes und selbstloses Engagement ist ihm buchstäblich zu Herzen gegangen, weil es ihm eine Herzensangelegenheit war«, stellte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers fest. »Wir haben nicht nur eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, sondern auch einen Freund verloren«, betonte Esra Cohn. Der Vorsitzende des Jüdischen Gemeinde Düsseldorf kündigte an, zur Erinnerung an Paul Spiegel einen Wald in Israel pflanzen zu wollen.
Immer wieder kam ein Gefühl zum Ausdruck, das viele an diesem Nachmittag in der Düsseldorfer Tonhalle einte: Salomon Korn sprach davon, daß sich das Bewußtsein noch weigere, »die Endgültigkeit des Todes von Paul Spiegel hinzunehmen«. Doch als der eigens aus Tel Aviv angereiste Kantor Chaim Adler das Totengebet El Male Rachamim anstimmte, be-
kam das Unweigerliche eine Stimme. »Er ist uns vorausgegangen«, sagte Korn, »den Rest des Weges werden wir – seine Freunde und seine Kollegen – ohne ihn zurücklegen müssen, beschenkt mit der Erinnerung an einen liebenswerten Menschen, von dem es nun endgültig Abschied zu nehmen gilt.«

Düsseldorf

Igor Levit: Bin noch nicht fertig mit diesem Land

Am Klavier ist er ein Ausnahmekönner, in politischen Debatten meldet er sich immer wieder zu Wort. 2020 erhielt der jüdische Künstler das Bundesverdienstkreuz - das er nun nach eigenen Worten fast zurückgegeben hätte

 03.02.2025

Berlin

Kreise: Union will Gesetz doch zur Abstimmung stellen

Hinter verschlossenen Türen wurde in den Unionsparteien viel über das »Zustrombegrenzungsgesetz« gesprochen. Nun gibt es laut Teilnehmern eine Entscheidung

 31.01.2025

Kommentar

Der stumme Schrei der Arbel Yehoud

Die Israelin wurde am Donnerstag von den Hamas-Terroristen endlich freigelassen. Die junge Frau muss unvorstellbare Qualen ausgestanden haben

von Nicole Dreyfus  31.01.2025

Kultur

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 30. Januar bis zum 5. Februar

 30.01.2025

Österreich

»Gegen Antisemitismus und Antizionismus aufstehen«

Der Bundeskanzler, dessen ÖVP Koalitionsgespräche mit der rechtsextremen FPÖ führt, sagt, weder Hass noch Ausgrenzung dürfe Platz geboten werden

 27.01.2025

Irland

Eklat mit Ansage beim Holocaust-Gedenken

Nach seinem Exkurs zum Gaza-Krieg bei der Gedenkfeier in Dublin hagelt es scharfe Kritik am irischen Staatspräsidenten

von Michael Thaidigsmann  27.01.2025

Berlin

Scholz zu Auschwitz-Gedenken: Müssen Erinnerung hochhalten

Am 80. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen deutschen Vernichtungslagers wird der Opfer des NS-Terrors gedacht. Viele Zeitzeugen sind mittlerweile gestorben

 27.01.2025

Gedenken

Mehr Menschen sollen sich Auschwitz anschauen

Wer einmal dort war, stelle sich die Frage, warum die Erinnerung wachgehalten werden muss, nicht, so Zentralratspräsident Schuster

 26.01.2025

Geisel-Abkommen

Scholz: Es müssen weitere Geiseln freikommen

Noch immer sind auch deutsche Staatsbürger in der Gewalt der Hamas

 25.01.2025