Eine 300 Jahre alte Torarolle kehrt nach 75 Jahren aus der Lübecker Völkerkundesammlung nach Bad Segeberg zurück. An Erew Schawuot, dem 22. Mai, wird die Jüdische Gemeinde Bad Segeberg die Schriftrolle in Empfang nehmen. Einen Monat später, zur Eröffnung des neuen Gemeindezentrums am 24. Juni, soll sie in die neue Synagoge eingebracht werden.
Die Torarolle kam 1932, ein Jahr vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, nach Lübeck. Julius Carlebach, Enkel des damaligen Lübecker Rabbiners Salomon Carlebach, richtete im Lübecker Museum für Völkerkunde eine jüdische Abteilung ein. Er konnte die damalige Jüdische Gemeinde Bad Segeberg davon überzeugen, eine ihrer Torarollen als Dauerleihgabe zur Verfügung zu stellen. »Wir wollen, um dem Antisemitismus zu begegnen, alle jüdischen Gebräuche erklären im Museum«, schrieb er der Gemeinde am 30. April 1932 auf einer Postkarte.
Mit der Tatsache, dass sich in den 90er Jahren in Bad Segeberg wieder eine jüdische Gemeinde gründete, entstand eine neue Situation: Die Gemeinde meldete dem Museum gegenüber ihren Anspruch auf die Rolle an. »Wir haben keine offenen Türen eingerannt, wir mussten Verhandlungen führen«, sagt Walter Blender, Vorsitzender der Bad Segeberger Gemeinde. Inzwischen sind die strittigen Fragen vom Tisch und der Geschäftsführende Direktor der Lübecker Museen, Hans Wißkirchen, konnte vergangene Woche vor Journalisten sagen: »Es stellt für uns eine Selbstverständlichkeit dar, dass die Torarolle an diesen nun entstandenen Ort des jüdischen religiösen Lebens zurückkehrt«.
Und damit die Völkerkundesammlung nicht leer ausgeht – sie versteht sich als Bewahrerin der Torarolle über die Jahrzehnte hinweg – haben Museumsleitung und jüdische Gemeinde vereinbart, dass die Torarolle bei besonderen Ausstellungen auch künftig in Lübeck gezeigt werden darf.
Doch auch in der Dauerausstellung der Völkerkundesammlung werden die Besucher weiterhin eine Torarolle sehen können. Denn das Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde in Bad Segeberg, Stephan Aaron Weckwerth, wird dem Lübecker Museum eine Torarolle aus seinem Besitz schenken. Die hat hat zwar keine Griffe und ist nicht koscher, aber zum Ausstellen durchaus geeignet.
Ob allerdings die 300-jährige Sefer Tora aus dem Lübecker Museum koscher ist, muss noch geprüft werden. Walter Rothschild, als Landesrabbiner von Schleswig-Holstein auch für die Gemeinde in Bad Segeberg zuständig, hat keine Bedenken. Er selbst könne es zwar nicht beurteilen, sagt Rothschild, aber er werde die Torarolle nach Berlin bringen zu seinem Kollegen Rabbiner Awraham Daus, der auch Sofer ist. »Vielleicht muss er die eine oder andere Stelle ausbessern, aber da die Sefer Tora im Museum aufbewahrt wurde, gehe ich davon aus, dass sie in einem guten Zustand ist.« Tobias Kühn
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