von Elke Wittich
Selbstständigkeit will gelernt sein. Die fängt leider nicht damit an, dass man eine tolle Idee hat, einen Laden mietet und loslegt, sondern damit, dass man sich gründlich vorbereitet. Dabei helfen zahlreiche Institutionen und Vereine wie beispielsweise auch »Alt hilft Jung«. Die Manager im Ruhestand beraten ehrenamtlich Gründungswillige und begleiten die Unternehmer von morgen bei allen notwendigen Schritten.
Beim zweiten Existenzgründer-Seminar des Zentralrats der Juden warnten die Referenten von »Alt hilft Jung« die Existenzgründer: »Sie haben keine geregelten Arbeitszeiten, keine gesetzlich vorgeschrie- benen Urlaubstage, stattdessen Arbeitstage, die zwischen zehn und sechzehn Stunden dauern.« So sehe zumindest in der ersten Zeit nach der Gründung die Realität für viele Selbstständige aus. Sie wollten keinesfalls Angst machen, sagen die Experten, aber Existenzgründer sollten wissen, worauf sie sich einlassen. Nur gut vorbereitet sollten sie den Schritt in die Selbstständigkeit wagen, denn jedes Detail, das schon in der Vorbereitungsphase durchdacht wurde, ist ein Punkt weniger, an dem das Unternehmen scheitern kann.
Die Liste der Dinge, an die ein künftiger Firmeninhaber denken sollte, ist schwindelerregend lang. Sie beinhaltet von der richtigen Standortwahl bis hin zu Marketing- und Preisgestaltung ungefähr jedes Stichwort, das in einem Wirtschaftslexikon zu finden ist. 2004 wurden in Deutschland 550.000 Firmen neu gegründet, acht Prozent dieser Unternehmen waren nach dem ersten Jahr schon wieder pleite. Ein Konkurs kann, je nach der gewählten Rechtsform, dabei auch zum persönlichen Ruin führen, warnen die Ex-Manager. Zuallererst sollten daher Vor- und Nachteile der Gesellschaftsform geprüft werden.
Professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, bevor man schwerwiegende Fehler begeht, sei daher nichts Ehrenrühriges. Die für eine eventuelle Förderung oder Finanzierung erforderlichen Geschäftspläne, so die Referenten, solle man generell vor der Abgabe noch einmal von einem Profi durchsehen lassen. Danach stehe einer erfolgreichen Existenzgründung hoffentlich nichts mehr im Wege.
Peter Chajm Wienes aus Kassel hört besonders aufmerksam zu, denn er ist entschlossen, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Wienes, eigentlich im Textilhandel ausgebildet, kam aus Wien nach Deutschland und stellte verwundert fest, wie teuer und vor allem wie schwer es ist, hierzulande koschere Lebensmittel zu beschaffen. Wienes möchte das ändern, und dazu auch noch Fort- und Weiterbildungen zum Thema Kaschrut anbieten. Dabei denkt er vor allem an die Zuwanderer. Sein Ziel ist, dass koschere Lebensmittel für jedermann, unabhängig vom Einkommen, erschwinglich werden, sagt er. Vom Seminar erhofft er sich wertvolle Tipps für die Unternehmensgründung.
Der ideale Gründer sei allerdings so etwas wie die berühmte eierlegende Wollmilchsau, geben die Berater zu. Denn natürlich sei es so gut wie unmöglich, in allen Punkten perfekt zu sein. Umso wichtiger sei es, dass man die eigenen Schwachstellen möglichst frühzeitig erkennt. Fähigkeiten wie das im Umgang mit Lieferanten erforderliche Verhandlungsgeschick seien erlernbar. Man solle sich deswegen nicht scheuen, Kurse und Fortbildungen zu besuchen. Oder zu ungewöhnlichen Mitteln zu greifen: Die Referenten berichten von einer Frau, die den möglichen Standort ihres Bastelbedarf-Geschäfts auf besonders pfiffige Weise überprüfte: Sie setzte sich einige Nachmittage lang im gegenüberliegenden Café ans Fenster und beobachtete, wie viele Passanten an dem Laden vorbeikamen, achtete auf Altersstruktur und Einkaufsgewohnheiten und hatte am Ende – äußerst kostengünstig – ein klares Bild von ihrer zukünftigen Laufkundschaft.