von Detlef David Kauschke
Sie ist Vorstandsmitglied der Zentralen Wohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland ZWST, Vizepräsidentin des Jüdischen Nationalfonds KKL, Repräsentantin der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und stellvertretendes Beiratsmitglied der Antidiskrimi-
nierungsstelle des Bundes. Und jetzt ist sie auch noch die Leiterin des Berliner Büros des European Council of Jewish Communities ECJC.
Am 10. April wird die neue ECJC-
Niederlassung mit einem Festakt im Cent-rum Judaicum eröffnet. Doch schon seit ein paar Wochen ist das Büro in der Fried-richstraße in Betrieb.
Wer Sarah Singer dort in Berlin-Mitte trifft, merkt nach wenigen Minuten: Diese Frau läuft auf Hochtouren. Ständig. Es sprudelt nur so aus ihr heraus: was sie derzeit macht, was sie noch alles vorhat, wa-
rum sie es tut. »Mein Beruf ist Jüdin. Da steh’ ick drauf«, bekennt sie, während sie einen tiefen Zug aus der Zigarette nimmt. Dann schnell ein prüfender Blick auf ihr BlackBerry, während das andere Handy zum wiederholten Mal klingelt. »Geht jetzt nicht.«
Und schon setzt sie die Aufzählung der Projekte, die sie in den kommenden Wochen für das ECJC in Berlin angehen wird, fort. Dazwischen berichtet sie noch von der Israelreise, bei der sie den Potsdamer Ministerpräsidenten Matthias Platzeck Anfang März zur Einweihung des Brandenburg-Waldes begleitete. Kurz da-
nach ein kurzer Abstecher in die USA. »Ich habe dort Einiges zu erledigen.«
Dann wieder Berlin. Vorbereitung der Büro-Eröffnung. Erwartet werden dazu etwa 150 bis 200 Gäste, darunter ECJC-Präsident Jonathan Joseph aus London und der französische Sänger Enrico Macias aus Paris. Die Rede soll der parlamentarische Staatssekretär Hermann Kues halten. Seine Behörde, das Bundesfamilienministerium, unterstützt dem ECJC-Projekt mit ei-
ner Anschubfinanzierung. »Weil sie es auch als historische Gelegenheit sehen«, wie Singer meint.
Der ECJC ist so etwas wie die ZWST in Europa. Die 1968 gegründete Organisation ist in den Bereichen Bildung, soziale Wohlfahrt und Kultur tätig. Zusätzlich konzentriert sich der ECJC auf die Kommunalentwicklung und veranstaltet Programme für Führungskräfte. »Jüdisches Leben in Europa stärken« ist das Motto.
Und europäisch-jüdisches Leben will Sarah Singer nun auch nach Berlin holen. Es geht darum, »den Kontakt zu all diesen Communities aufzunehmen, Netzwerke zu bilden«.
Dazu dient zum Beispiel das »Passport-Programm«, das Menschen aus Schweden, der Türkei und Deutschland zusammenbringen soll. Dieses Programm steht im Zeichen der jüdisch-muslimischen Koexis-tenz. Ein erstes Treffen gab es in Stock-
holm, jetzt ist die deutsche Hauptstadt an der Reihe. »Wir möchten, dass sich die Leute hier begegnen, nicht auf religiöser, sondern auf kultureller Ebene. Wir wissen, dass wir Juden sind, und die anderen wissen, dass sie Moslems sind. Aber wir wohnen nun einmal in einem gemeinsamen Europa.« Jeder soll aus seinem Land »seinen kulturellen Background« mitbringen. »Die Leute sollen miteinander reden, selbstbewusst und mit Respekt.« Es gehe darum, Unterschiede und auch Gemeinsamkeiten zu entdecken. Die Teilnehmer des Passport-Programms sind zwischen 18 und 35. »Wir nehmen zum Beispiel einen türkischen Moslem und einen türkischen Juden auf, ebenso Moslems und Juden aus Schweden und aus Deutschland. Nun überlegen sie sich mal, was dabei herauskommt!«
Ein anderes Programm, das in Berlin vorbereitet wird, heißt »Mifgash«. Das soll jüdische Jugendliche nach Deutschland bringen. Möglichst aus allen europäischen Ländern, immer ein oder zwei Teilnehmer. Sie sollen sich hier zum Jahrestag der No-
vemberpogrome am 9. November treffen, »um mehr über die Geschichte und damit auch über ihre eigene jüdische Identität zu erfahren.«
Sie habe da so eine Vision, sagt Sarah Singer: »Diese Vision ist, Leute zusam-
menzubringen. Das war schon immer mein Ding.« Und heute müsse man eben auch über den Tellerrand schauen und das Ganze auf europäischer Ebene veranstalten. »Ist doch logisch. Wir müssen alle auf die Reise mitnehmen.«
Die ein oder andere Reise hat sie selbst schon hinter sich. Sarah Singer ist Jahrgang 1958, sie wurde als Kind litausch-polnischer Eltern in Berlin geboren. Die ge-
lernte Gemmologin (Edelsteinprüferin) lebte für einige Zeit auch in Frankreich und in den USA. Sie ist mit Jechezkel Singer, dem ärztlichen Direktor des Jüdischen Krankenhauses Berlin, verheiratet und Mutter zweier Söhne.
Vor ein paar Wochen ist sie 50 geworden. Mit 46 hat sie für ihr Engagement das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten. Bundespräsident Horst Köhler hat ihr die hohe Auszeichnung persönlich verliehen. »Er war echt süß. Ich schätze ihn sehr.« Das Staatsoberhaupt habe ihr gesagt, dass der Orden als Motivation zu verstehen sei. »Sie werden noch von mir hören, habe ich ihm versprochen. ›Das glaube ich Ihnen gern‹, hat er geantwortet.«