Bei seinem Israelbesuch in der vergangenen Woche stellte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück klar: Neue Entschädigungsverhandlungen mit der israelischen Regierung wird es nicht geben. Das deutsche Nein bezieht sich nicht nur auf etwaige Nachbesserungen des zwischen den beiden Staaten geschlossenen Entschädigungsabkommens von 1952. Wie Steinbrück auf Anfrage der Jüdischen Allgemeinen deutlich machte, will die Bundesregie- rung mit Israel auch nicht über Verbesserungen von individuellen Leistungen an Holocaust-Überlebende verhandeln. Die Adresse für diese Gespräche sei die Jewish Claims Conference, die Überlebende weltweit vertrete. »Als deutscher Politiker kann und will ich die Claims Conference nicht in Zweifel ziehen«, erklärte der Bundesfinanzminister in Jerusalem.
Verbesserungen von Entschädigungsleistungen, so Steinbrück, seien – im Rahmen bestehender Vereinbarungen – möglich. In diesem Zusammenhang weist das Bundesfinanzministerium auf zwei in diesem Jahr eingeführte Nachbesserungen hin: die Zahlungen an seinerzeit von der Sozialversicherung ausgeschlossene Ghettoarbeiter und eine Lockerung der Einkommenskriterien für Empfänger laufender Leistungen aus dem nach der deutschen Vereinigung gegründeten sogenannten Artikel-2-Fonds. Weitere Nachbesserungen schloss Steinbrück, auch im Gespräch mit Vertretern des israelischen Dachverbandes der Organisationen von Holocaust-Überlebenden, nicht aus.
Als einen zusätzlichen Grund für die deutsche Weigerung, mit Israel auf Regierungsebene zu verhandeln, nannte Steinbrück die in einem solchen Fall zu erwartenden Verhandlungsforderungen anderer Staaten. Das leuchtete letztendlich auch Steinbrücks israelischem Amtskollegen Roni Bar-On ein. Bei dem Treffen der beiden Kassenwarte scheute sich Bar-On zwar nicht, ein kritisches Thema anzusprechen: Er forderte von der Bundesrepublik, ihre Wirtschaftsbeziehungen zum Iran zu lo-ckern und bei den Sanktionen gegen das Ajatollahregime energischer mitzumachen. Auch für Fragen der israelischen Haushaltspolitik, der Stabilität der israelischen Wirtschaft und sogar für die amerikanische Kreditkrise fand sich bei dem Treffen Zeit. Das Thema Entschädigung aber kam, wie Bar-Ons Medienberaterin gegenüber dieser Zeitung bestätigte, nicht zur Sprache. Damit wurde der israelische Rentnerminister Rafi Eitan – er hatte im Vorfeld der Visite die Einsetzung einer gemeinsamen israelisch-deutschen Regierungskommission zur Überprüfung der Bedürfnisse betagter Holocaust-Überlebender gefordert – schroff desavouiert. Möglicherweise hatte er, ohne es zu ahnen, von Anfang an den Part eines Versuchsballons gespielt. Jetzt leckt er seine Wunden und war diese Woche nicht bereit, zu Steinbrücks Besuch Stellung zu nehmen. Am Ergebnis hätte das auch nichts geändert: Zwischenstaatliche Entschädigungsverhandlungen zwischen Israel und Deutschland sind wohl endgültig vom Tisch.
Wolf Silberbach
Entschädigung