Hummus-Laden

Vom Reißbrett zum Backtopf

von Helmut Kuhn

Es ist heiß am Prenzlauer Berg, alles schwitzt, alles fließt, aber Ofer bleibt gelassen. Stoisch knetet er den Pitateig, wälzt Kugeln im Mehl, formt Fladen daraus und schiebt sie in einen Ofen – Minuten später weht der Duft von frisch gebackenem Brot vom Innenhof bis auf die Straße. Hummus-Shala heißt der kleine Laden.
Die doppelte Hitze am Ofen scheint dem hochgewachsenen, schlanken Mann nichts auszumachen. Er ist in Beer Schewa aufgewachsen. Schon formt er die nächsten Teigfladen – aber was ist das eigentlich für ein merkwürdiger Ofen, aus dem der Teig so würzig riecht? »Das Gerät habe ich zusammen mit einem Freund aus Israel importiert. Es ist ein traditioneller marokkanischer Backtopf«, sagt Ofer. Auch das Rezept stamme aus Nordafrika. »Ein Freund aus Israel hat mir beigebracht, wie man Hummus macht und Pitabrot backt. Die Rezepte sind von seiner marokkanischen Mutter.« Und die bleiben natürlich geheim.
Es ist ein Mittwochnachmittag, und seine Gäste haben es sich auf Bänken und Sesseln unter den Sonnenschirmen be-quem gemacht. Lümmeln im Loungeformat gehört dazu, so wie Easy Listening und ein Vitamindrink – da läßt es sich schon aushalten. Das ist Ofer Melechs Konzept. Vegetarisches, gesundes Essen in entspannter Atmosphäre. Sein Slogan ist gleichzeitig sein Ziel: »Das beste Hummus der Stadt.«
Seit fünf Jahren lebt Ofer Melech in Berlin. Er ist so etwas wie ein Rundum-Israeli: Geboren in Haifa, wuchs er als Kind im heißen Süden auf, studierte in Jerusalem und arbeitete als Architekt in Tel Aviv. Als Erasmus-Student hatte er bereits in den Neunzigern ein halbes Jahr in Berlin verbracht. »Damals lernte ich Deutsch. Und als ich in Tel Aviv lebte, wollte ich eine Veränderung. Ich wollte in Europa arbeiten. Berlin kannte ich und hatte noch ein paar Freunde hier in der Stadt.«
Doch als er noch Student war, tobte in Berlin der Bauboom. Der ist inzwischen abgeebbt, und unter den Architekten herrscht harter Wettbewerb. Viele stehen auf der Straße. Dann kam Ofer auf die Idee, einen Hummus-Laden zu eröffnen. Seit Januar betreibt er nun das Hummus-Shala, und der Erfolg gibt dem findigen Israeli Recht. Zudem kooperiert er mit der Yoga-Schule »Shala«, die gleich im nächsten Hof allerlei Kurse anbietet. »Wir sind sozusagen deren Kantine, Warteraum und Rezeption«, sagt Ofer.
Zu seinen Angeboten zählen auch orientalische Salate, arabischer, Feta- und Labanehsalat mit diesem duftenden Brot, das Neugierige von der Straße anzieht wie der Honig die Fliegen. Der Ort könnte besser kaum liegen: Die Kastanienallee mit ihren zahllosen Kneipen, Cafés, Modeboutiquen und dem Pratergarten ist eines der wichtigsten Zentren der Jungen und Kreativen, so etwas wie der Lower Broadway von Berlin. Und diese Klientel gelüstet es nicht nach Fast Food, sondern nach gesunden Snacks wie Ofers belegten und getoasteten Bagels mit Frischkäse, Feta, Oliven und Kräutern. Minze- oder Ingwertee und vor allem die frisch gepreßten Obst- und Gemüsesäfte runden die Sache ab.
Inzwischen arbeitet Ofer Vollzeit in seinem Laden, die Architektur ruht einstweilen. Sein Kopf ist jetzt woanders. In den nächsten Tagen wird der 34jährige Vater. Seine Freundin studiert Malerei und stammt aus Berlin, sie wohnen zusammen in Mitte. Dort und in Prenzlauer Berg leben auch die meisten jungen Israelis der Stadt.
»Der Laden ist zum Treffpunkt der Israelis in Berlin geworden. Das hat sich schnell herumgesprochen, auch hier im Kiez«, sagt Ofer. Natürlich gibt es für sie derzeit nur ein Thema: den Krieg in der Heimat. »Aber da sieht man auch erst mal, wie viele Israelis in Berlin überhaupt leben«, sagt eine junge Dame am Nachbartisch. Mancher Israeli komme sogar jeden Morgen ab zehn Uhr zum Frühstück.
Auch Elisabeth Degen ist Stammgast. Die Tochter des Schauspielers und Schriftstellers Michael Degen wohnt ganz in der Nähe und kommt fast täglich. »Das hat hier gefehlt in Berlin – ein richtig gutes israelisches Restaurant. Es ist nicht so steif wie in der Jüdischen Gemeinde in der Fasanenstraße, es ist völlig zwanglos und die Location einfach klasse. Ich habe schon so manche jüdischen Freunde hierher geschleppt. Ein absoluter Geheimtip«, sagt Elisabeth Degen. Und jeden Freitag gebe es etwas Besonderes, schwärmt sie.
Denn jeden Freitag ist Israel-Tag am Prenzlauer Berg. »Da probieren wir Gerichte aus.« Jeder, der sich auf einer Liste eingetragen hat, bekommt eine Rundmail, was es an diesem Abend gibt. Sharshuka, israelischen Eintopf mit Gemüse, Tomaten und Kartoffeln, Tscholent oder Borekas. An diesem Abend bleibt der Laden bis Mitternacht geöffnet. Dazu gibt es Ayelet, orientalischen Kuchen mit Minze. »Das macht süchtig«, sagt Degen.
Bleibt noch das Hauptgericht, das dem Laden seinen Namen gab: Hummus. Ofer serviert ihn mit feiner Tahinasauce, verschiedenen Gewürzen, einem gekochten Ei und Tomatensalat oder warmen Kichererbsen. Dazu reicht er am Tellerrand noch eine scharfe Sauce und das ofenfrische und noch warme Pitabrot aus dem Backtopf. Für Elisabeth Degen ist klar: »Das beste Hummus der Stadt. Ziel erreicht.«

Kultur

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