von Elke Wittich
Eine Fußballausstellung fast drei Monate nach Ende der WM? Hat da die Terminplanung nicht geklappt? Die Schau Kicker, Kämpfer, Legenden – Juden im deut- schen Fußball im Berliner Centrum Judaicum, die vorige Woche eröffnet wurde, sei natürlich schon länger geplant ge wesen, sagt Ausstellungsleiterin Chana Schütz. Aber es gab Probleme mit der finanziellen Förderung durch das Bundesfamilien- und das Innenministerium: »Die Anträge wurden noch vor der letzten Bundestagswahl gestellt, da gab es natürlich mit dem Regierungswechsel einige ablaufbedingte Ver- zögerungen.« Die Kuratorin wendet die Sache ins Positive. »Im nachhinein ist es ein Glück, daß wir nicht während der WM gestartet sind, denn wir haben in dieser Zeit unter einem starken Besucherrückgang gelitten.« Auch der Deutsche Fußball Bund (DFB), »der uns sehr bei dieser Ausstellung unterstützt hat, hat in guter Einschätzung der Lage gesagt, daß diese Ausstellung besser erst nach der WM stattfinden sollte, weil sie dann viel mehr Menschen erreiche.«
Thema der Schau ist, wie DFB-Präsident Theo Zwanziger bei der Eröffnung sagte, »der jüdische Beitrag zur deutschen Fußballgeschichte«. Der war naturgemäß vor allem vor 1933 spürbar. Zum Beispiel in Gestalt von Meistertrainern wie Jenö Konrad und Richard Dombi. Konrad, ehemals österreichischer Spitzenspieler, war seit 1930 Trainer des 1. FC Nürnberg. Nachdem der Club im August 1932 das Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft gegen den FC Bayern München verloren hatte, erschien im Stürmer ein Hetzartikel: »Club! Besinne Dich und wache auf. Gib Deinem Trainer eine Fahrkarte nach Jerusalem. Werde wieder deutsch und dann wirst Du wieder gesund. Oder Du gehst an den Juden zugrunde.« Die Vereinsführung stellte sich sofort hinter ihren jüdischen Coach. Spieler wie der Star-Nationalkicker Hans Kalb baten ihn, »nicht auf das Bellen dieses Gesindels zu hören«. Doch kein Jahr später hatte das Gesindel in Deutschland die Macht ergriffen. Konrad verließ das Land.
Auch Konrads Trainerkollege beim FC Bayern München, Richard »Little« Dombi, erkannte schnell, daß der sich ausbreitende Antisemitismus keine vorübergehende Erscheinung sein würde. Dombi hieß eigentlich Richard Kohn und hatte das Kikken beim Wiener AC und bei MTK Budapest, gelernt. Im Mai 1933, wenige Mona- te nachdem er mit den Bayern Deutscher Meister geworden war, emigrierte er in die Schweiz und wurde Trainer beim FC Basel. Ein Jahr später ging er als Chefcoach zu Feyenoord Rotterdam. Unter seiner Leitung wurde der Verein 1936 und 1938 niederländischer Meister. Empfohlen hatte Dombi ausgerechnet der damalige niederländische Bondscoach Karel Johannes Julianus Lotsy, ein ausgesprochener Antisemit, der sich später als Verbandschef unter der deutschen Besatzung den antijüdischen Vorschriften der Nazis mehr als bereitwillig beugte. Zur Ironie der Geschichte gehört auch, daß Feyenoord heute als judenfeindlich gilt. In der Besatzungszeit sorgten die Rotterdamer allerdings dafür, daß ihr Trainer überlebte. Über Einzelheiten, etwa wer ihn wie lange wo ver- steckte, sprach Dombi später nie.
Von 1951 bis 1952 saß er wieder auf der Rotterdamer Trainingsbank. Sein in den dreißiger Jahren erworbener Ruf war immer noch legendär. Er galt als Wunder-doktor, der kleinere Blessuren mittels ei-ner Wundersalbe heilte, die in Wirklich- keit wohl nichts anderes als eine normale Creme war. Als Trainer sei Dombi »seiner Zeit um mindestens hundert Jahre voraus gewesen«, sagte Cor van der Gijp, ehemals Stürmer bei Feyenoord: »Wo er aktiv war, war das Positionsspiel einfach perfekt.«
Zu den jüdischen Pionieren des deutschen Fußballs, die in der Ausstellung gewürdigt werden, zählen auch »Kicker«-Gründer Walther Bensemann, der lang- jährige FC Bayern-Präsident Kurt Landauer sowie die Nationalspieler Gottfried Fuchs und Julius Hirsch. Zum Schluß macht die Schau einen Schwenk von der Historie in die Gegenwart. In Filmausschnitten erzählen Spieler von Makkabi Berlin über Diskriminierungen auf dem Platz, Vorurteile und was sie bei Gesängen wie »Steht auf, wenn Ihr Deutsche seid!« empfinden. Die Ausstellungsbesucher stehen dabei auf kleinen Tribünen. Rechts und links sind Fotos von rassistischen und antisemitischen Transparenten und Plakaten zu sehen, wie sie bei Fußballspielen in Deutschland keine Seltenheit sind.
Kicker, Kämpfer, Legenden – Juden im deutschen Fußball. Bis 15. Dezember im Centrum Judaicum Berlin, Oranienburger Straße 28/30
www.cjudaicum.de