von Rabbiner Boruch Leff
Wie fast für alle amerikanischen Kinder war für mich als Heranwachsender Sport ein wichtiger Teil meines Lebens. Und auch heute noch genieße ich ab und zu ein gutes Spiel. Aber ich habe mich oft gefragt, ob es wirklich von Bedeutung ist, wie weit ein junger Mann einen Ball mit einem Holzstock schlagen kann, der mit 150 Stundenkilometern durch die Luft fliegt? Kommt es wirklich darauf an, dass mein Team siegt?
Menschen leben oft stellvertretend durch ihre Teams. Wenn mein Team die Meisterschaft gewinnt, gewinne ich die Meisterschaft mit. Vielleicht trifft es zu, dass wir unsere Helden auf dem Sportplatz »anbeten«, weil wir so für uns selbst Bedeutung erlangen können.
In unserem eigenen Leben finden wir uns oft mit der Mittelmäßigkeit ab. Wir sehen uns nicht als Menschen, die ein heroisches Leben führen, und streben selten nach wahrer Größe. Unbewusst leben wir deshalb unsere »Größe« durch unsere Helden in der Welt des Sports aus.
Welch ein Fehler. Wir alle können Helden sein, jeder auf seine eigene Art und Weise. Wir haben alle eine persönliche World Series – bei der die Sieger der National League und der American League aufeinandertreffen und derjenige gewinnt, der zuerst vier Siege für sich verbuchen kann – zu gewinnen. Wir alle sind im Spiel – keiner sitzt auf der Ersatzbank.
Baseball kann uns eine Reihe von Lektionen erteilen:
1. Schlagen Sie nicht jeden geworfenen Ball. Für beinahe alles im Leben gilt: Um erfolgreich zu sein, müssen wir einen guten Überblick darüber gewinnen, womit wir es zu tun haben. Wir können nicht einfach den Schläger schwingen, kopflos und ohne genau zu wissen, worin die Aufgabe be-
steht.
Wir müssen alle Optionen genau prüfen und uns erst dann für den Schlag entscheiden. Wir müssen überlegen und nachdenken, bevor wir handeln. Wir sollten keine überhasteten Entscheidungen treffen. Drosseln Sie das Tempo und prüfen Sie alle Aspekte, bevor Sie wählen.
2. Warten Sie nicht ewig: Andererseits kann man allzu nachdenklich sein und Gelegenheiten ungenutzt verstreichen lassen. Um erfolgreich zu sein, müssen wir sorgfältig planen.
Doch ab einem gewissen Zeitpunkt müssen wir den Versuch wagen und den Ball schlagen, damit er so weit wie möglich fliegt. So wie unsere Weisen sagen: »Lass’ gute Taten nicht zu lange reifen; wenn sich die Gelegenheit ergibt, eine Mizwa zu erfüllen, ergreife sie.«
3. Rechnen Sie immer mit der Möglichkeit eines im Bogen geworfenen Balls: Wenn wir zu unflexibel sind, wenn wir immer einen hohen, schnellen Wurf erwarten, kann es leicht passieren, dass wir den Ball verfehlen, wenn der Pitcher ihn im Bogen wirft. Wir sind keine Propheten, und wir haben keine Ahnung, was auf uns zukommt und was wir nicht kontrollieren können. Und wenn etwas geschieht, was den Lauf unseres Lebens ändert, müssen wir gewillt sein, uns anzupassen. Wir dürfen nicht zu starr sein in unserem Vorstellungsvermögen.
Moses lehrte uns das, als er die Gesetzestafeln, die er von Gott erhalten hatte, um sie dem jüdischen Volk zu geben, zerbrach, nachdem er mit ansehen musste, wie das Goldene Kalb angebetet wurde. Er hatte alles gegeben, damit er die Tafeln bekam, und er betrachtete den Erhalt als die Krönung seines Schaffens. Dennoch war er in der Lage, sofort umzuschalten, als er sah, dass es nötig war.
4. Verwandeln Sie einen Single in einen Double: Es gibt Zeiten, wo wir Erfolg haben, aber mit ein bisschen mehr Mühe weiter hätten kommen können. Wir beschließen eine kurze Periode des Lernens und fangen an, uns zu entspannen, wenn wir eigentlich versuchen könnten, weiter zu studieren.
Dazu fällt mir die Geschichte von Rabbiner Akiwa, dem talmudischen Weisen, ein. Er begann, die Tora im Alter von vierzig Jahren zu studieren und wurde zum Führer der gesamten jüdischen Nation. Viele von uns wären zufrieden damit gewesen, die Gebete auf Hebräisch lesen zu können, aber Rabbiner Akiwa verharrte nicht an der ersten Base. Er lief weiter und erzielte viele tausend Home Runs.
»Jede Person ist geeignet, so gerecht wie unser Lehrer Moses zu sein« (Maimonides, Gesetze der Buße 5,2). Gott erwartet nicht von jedem, wie Moses übermenschliche Taten zu vollbringen. Jedoch erwartet er, dass jeder Mensch sein eigenes, persönliches Potenzial voll ausschöpft.
Wenn wir unser Leben richtig leben und das beste aus unserem persönlichen Potenzial machen, können wir so gerecht wie Moses werden.
Wir müssen den Titel holen. Tatsächlich ist es immer das siebte und letzte Spiel, und unser Team liegt im allerletzten Abschnitt mit drei Mann an allen drei Basen einen Punkt zurück, und es gibt nur noch eine einzige Chance.
Ein Mensch soll sich immer als aus zwei gleichen Hälften bestehend betrachten – halb schuldig und halb rechtschaffen.
»Vollbringt ein Einzelner eine Mizwa, neigt sich die Waage für die Welt zum Guten. Begeht er eine Sünde, senkt sich die Waage der Welt zum Bösen hin« (Babylonischer Talmud, Kidduschin 40b).
Es gibt viele Lehren, die wir aus dem Baseball ziehen können.
Abdruck mit freudlicher Genehmigung von www.aish.com, der Webseite von Aish HaTorah, Jerusalem.