Schatten von Wörtern flackern an der Wand. Sie kommen von weiß beschrifteten Klarsichtfolien mit kalligrafischen Sätzen darauf: 18 Textfragmente auf 18 mal 18 großen Folien, die von 18 Leucht-Kerzen an die Wand projiziert werden. Die Worte stammen vom französischen Aufklärer De-
nis Diderot. Und sie stammen von der Ma-
thilde Lafabrie von der Künstlergruppe Meshulash (hebr: Dreieck). Der Titel von Lafabries Arbeit »18 ans ... quelle majorité!« ist doppeldeutig gemeint. Einerseits spielt er auf die Volljährigkeit an, die man mit 18 erreicht, andererseits wird mit ihm der Begriff der Mehrheit umkreist. Auch das bedeutet »majorité« im Französischen.
Vorgaben Wie Lafabrie zeigen auch die anderen fünf Künstler des Meshulash-Kollektivs Werke, die sich mit dem Thema 18 auseinandersetzen, zu sehen in der aktuellen Gruppen-Ausstellung in der Galerie »Mat’s Laden«. Alle sechs Künstler hatten sich nach denselben strengen formalen Vorgaben zu richten. Kein Bild sollte größer oder kleiner als 18 mal 18 Zentimeter sein. Und doch unterscheiden sich die sechs Arbeiten von Norma Drimmer, Ronnie Golz, Mathilde Lafabrie, Gabriel Heimler, Silke Helmerdig und Salean Mailwald zum Teil deutlich voneinander.
Einen ganz eigenen Stil hat auch Gabriel Heimler gefunden: Auf 18 Tafeln bietet der Maler eine Art Rückblick auf die ersten 18 Jahre der Gruppe, auf einzelne Ausstellungen wie die im letzten Jahr im Centrum Judaicum (»Erwählung«) oder auf die »wilden« Anfangsjahre, als das Kollektiv als Reaktion auf die Pogrome in Rostock gegründet wurde. Heimler malt üblicherweise großformatige figurale Bilder in Öl. In seiner Arbeit »18 Jahre Meshulash« beschränkt sich der Künstler allerdings auf Fotomontagen aus Ausschnitten seiner Bildern und Fotografien von historischen Ausstellungen. Ein gute Portion Selbstironie ist eine der wesentlichen Zutaten dieser Arbeit: Auf einem Bild steht das Anagramm »Paradiso – Diaspora«, auf einem anderen »18 Jahre Meshuge«.
Formate Ganz anders, wenngleich auf selbem Format, die 18 Bilder von Silke Helmerdig. Auf ihren Schwarz-Weiß-Fotografien zeigt sie jeweils gegenübergestellt ei-
nen Ausschnitt des Himmels und der Erde, getrennt durch einen Horizont, den sie mit zitterndem Duktus mittels eines Stiftes zwischen beiden Sphären eingezogen hat. Helmerdigs Bildern gegenüber hängen die Bilder von Salean A. Mailwald, bei denen es sich um 18 Fragmente aus einer größeren Fotomontage mit dem Titel »Die Bitte« handelt. Zu sehen sind eine Friedenstaube und Ausschnitte aus dem Tanach. Hier besteht der Bezug zur 18 nicht nur in formaler Hinsicht. Das Werk legt auch Bezüge zum Achtzehngebet offen, dem »Schmone Essre«.
Eine Ausstellung über die Zahl 18? Da kann die Kabbala doch nicht weit sein. Und tatsächlich wird man bei Norma Drimmer fündig. »Mit der Kabbala, wie sie Madonna interessiert, hat meine Arbeit nichts am Hut«, entkräftigt die Künstlerin. »Die Bezüge meiner Arbeit bestehen vielmehr in philosophisch-künstlerischem Sinne«. Die Zahl 18 steht für »Chai«, das be-
deutet »Leben«. Ihre 18 Bilder sind Fotomontagen mit Stadtmotiven, die an zwei Strippen über Kopfhöhe in der Galerie hängen. Neben den Bildern stehen knappe deutsch-englische Texte, die die ersten 18 Buchstaben des hebräischen Alphabets umranken. Diese Bezüge sind bewusst lose geknüpft und als Einladung gedacht, offenen Sinnes durch die Bilder zu spazieren.
Jonathan Scheiner