von Wladimir Struminski
Von einer besseren Welt zu träumen, ist leicht. Für einen Traum persönliche Opfer auf sich zu nehmen, wird schon etwas schwieriger. Und weil er genau das tat, war Abie Nathan Israels bekanntester Friedensaktivist. Wie viele andere israelische »Peaceniks« hat auch der 1927 im Iran geborene und in Indien aufgewachsene Abie für sein Land mit der Waffe gekämpft. Als 21-Jähriger meldete sich der damalige Flieger der britischen Royal Air Force freiwillig zur Luftwaffe des jungen Staates Israel, in der er drei Jahre lang diente. Sein be-rühmtester Flug aber sollte kein Einsatz gegen feindliche Stellungen, sondern eine Friedensmission werden: Im Februar 1966 flog Nathan mit einem kleinen Privatflugzeug, für die Reise in »Schalom 1« umbenannt, ins ägyptische Port Said, um dem ägyptischen Diktator Gamal Abd El-Nasser eine Friedenspetition zu überreichen. Diese Bitte schlugen ihm die Ägypter ab, schickten ihn aber nicht ins Gefängnis, sondern schoben ihn nach einem Tag wieder ab: Eine humanitäre Geste, wie sie im Umgang mit »zionistischen Feinden« damals beispiellos war und einer zähneknirschenden Anerkennung durch das Kairorer Regime gleichkam.
Durch seinen Flug zu weltweiter Berühmtheit gelangt, warb Nathan auch international für den Frieden. 1973 ließ er außerhalb der israelischen Hoheitsgewässer ein »Friedensschiff« vor der Tel Aviver Mittelmeerküste vor Anker gehen. Von dort aus sendete eine kleine Crew, hauptsächlich Angelsachsen, Popmusik und Friedensbotschaften. Jeden Tag wurde kurz vor Sonnenuntergang eine Gedenkminute für die Opfer des Nahostkonflikts eingelegt. Politisch reichte die in sanfte Töne verpackte Friedensbotschaft weit über die Reichweite der siechen Sendeantennen hinaus. »Peace is the word, and the Voice of Peace is the station. 24 hours a day« – zumindest den Angehörigen der etwas älteren Generation wird das Motto des Friedensschiffs für immer im Gedächtnis bleiben. Übrigens machten sich später auch die Rechten das Prinzip, Ideologie durch Piratensender zu verbreiten, zu eigen. Die »Stimme des Friedens«, räumte der bekannte Siedlerpolitiker Pinchas Wallerstein ein, hat auch dem siedlernahen Piratensender »Kanal 7« als Vorbild gedient.
Nur Musik machen, war Abie aber nicht genug. Durch Kontakte zur PLO wollte er Friedensbrücken bauen. Wegen eines Treffens mit PLO-Chef Jassir Arafat wurde er aufgrund des israelischen Antiterrorgesetzes zu 15 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt – eine Strafe, die er mit erhobenem Haupt antrat. Nach einem halben Jahr wurde der »Friedenshäftling« von Staatspräsident Chaim Herzog begnadigt. Ironischerweise erkannte der Staat Israel bereits zwei Jahre später die PLO an und unterzeichnete mit ihr ein Rahmenabkommen für einen künftigen Friedensvertrag. Dieser bleibt, wie man weiß, bis heute aus, doch konnte Abie zu Recht auf seine Rolle als Vorreiter des israelisch-palästinensischen Dialogs verweisen. Nach einem 1997 erlittenen Schlaganfall blieb Nathan teilweise gelähmt und lebte zurückgezogen. In der vergangenen Woche ist er im Alter von 81 Jahren gestorben.